05.05.2015 12:50 Uhr

Die ausgeglichenste Liga der Welt

Eine Liga, in der kurz vor Schluss sogar noch der Tabellenletzte Meister werden kann. So etwas gibt es nicht? Doch, gibt es! weltfussball wirft einen Blick auf die momentan wohl kurioseste Liga der Welt.

Im vergangenen Sommer sorgte die algerische Nationalmannschaft bei der WM in Brasilien für mächtig Furore. Gegen den späteren Titelträger Deutschland war erst nach der Verlängerung im Achtelfinale Schluss. Bei der vierten WM-Teilnahme Algeriens stellte das Vorstoßen in die K.o.-Runde das absolute Highlight in der Fußballgeschichte des nordafrikanischen Landes dar. Dessen Spieler sind indes nicht erst seit dem Sommer 2014 begehrt, diverse Akteure spielen in den stärksten europäischen Ligen teilweise bedeutende Rollen.

Im Gegensatz zu den "Wüstenfüchsen", wie die Landesauwahl Algeriens genannt wird, steht die heimische Ligue Professionelle 1 nur selten im internationalen Fokus. Der höchsten Spielklasse des größten afrikanischen Staates wird höchstens dann einmal weltweite Aufmerksamkeit zuteil, wenn es wieder einmal zu dramatischen Ausschreitungen auf den Rängen kommt. Oder ein Verein auf die wahnwitzige Idee kommt, Nicolas Anelka als Sportdirektor einzustellen. Dieser "rechtfertigte" übrigens das seitens des Klubs USM Bel Abbes in ihn gesetzte Vertrauen jüngst damit, dass er sich mit dem Cheftrainer prügelte, der daraufhin übrigens entlassen wurde.

Tabellenschlusslicht noch mit theoretischen Titelchancen

Dabei verdient es die algerische Liga noch aus ganz anderen Gründen, beachtet zu werden. Denn in der Ligue Professionelle 1 bietet sich kurz vor Schluss der Meisterschaft 2014/2015 ein Tabellenbild, das es so wohl noch nie gab im Weltfußball. Vier Spieltage vor Ende trennen den Tabellenführer gerade einmal elf Zähler vom Letzten des Tableaus – dieser könnte zumindest theoretisch also noch den Titel gewinnen.

Während dieses Szenario dann doch eher unwahrscheinlich erscheint, kann man zumindest von einem Siebenkampf um den Meisterschaftspokal sprechen. Momentan führt ES Sétif die Tabelle mit 41 Punkten an, nachdem man erst am vorletzten Spieltag die Tabellenspitze erstmals in dieser Spielzeit erobern konnte. Dass der sechsmalige Meister dort bleibt und seinem Trophäenschrank Titel Nummer sieben hinzufügt, erscheint jedoch alles andere als sicher.

Sétif als Tabellenführer "wider Willen"

Denn der Vorsprung Sétifs auf Platz sechs beträgt ganze sieben Punkte. Und man kann nicht gerade behaupten, dass der Klub sich in Topform befände und mit aller Macht gen Spitze gedrängt hätte. Denn aus den vergangenen sechs Partien holte man nur sechs Zähler – trotzdem ist der Verein aus der algerischen Universitätsstadt nun Erster. Generell rückte die gesamte Liga in den vergangenen Wochen unglaublich eng zusammen. So holte MO Béjaja, das bis vor kurzem zehn Spieltage lang an der Spitze stand, nur einen einzigen Punkt aus den letzten fünf Spielen – und hat als Zweiter mit nur zwei Punkten Rückstand noch immer gute Chancen auf den Gewinn der Meisterschaft.

Ein weiterer Beleg für die Ausgeglichenheit der algerischen Liga ist der Umstand, dass jede Mannschaft mindestens sieben Spiele verloren, aber auch zumindest sieben Spiele gewonnen hat. Des Weiteren verzeichnet der Tabellenletzte NA Hussein Dey die drittbeste Abwehr der Liga (21 Gegentore in 26 Spielen), während die Mannschaft mit der schwächsten Offensive (17 Tore in 26 Partien) Dritter ist und nur zwei Punkte hinter dem Tabellenführer liegt. Allerdings stellt der MC Oran mit erst 17 Gegentoren auch die stärkste Defensive.

Die Heimmannschaften dominieren

Der Hauptgrund für die frappierende Ausgeglichenheit in der algerischen Liga ist die Tatsache, dass die Teams den Großteil ihrer Punkte bislang zu Hause holten – während vor gegnerischem Publikum jeweils keine Bäume ausgerissen wurden. So trennen den Ersten in der Heimtabelle lediglich sieben Zähler vom Vorletzten. Nur eine einzige Mannschaft weist in der Heimtabelle eine negative Tordifferenz auf. Da hilft es auch wenig, dass JS Kabylie mit 18 Punkten aus 13 Spielen die beste Auswärtsmannschaft stellt – in der Gesamtabrechnung ist der Rekordmeister dennoch Tabellenletzter.

Man kann übrigens nicht behaupten, dass es in der algerischen Meisterschaft stets so eng zuginge. Am Ende der letzten Saison holte USM Alger mit 68 Punkten den Titel. Der Vorsprung auf den Tabellenzweiten Kabylie betrug dabei satte 14 Punkte – ein höherer Abstand, als im derzeitigen Saisonendspurt zwischen dem Ersten und dem Letzten herrscht.

In dieser kuriosen Spielzeit dürfte eines jedoch feststehen: Es wird bis zum letzten Spieltag spannend bleiben in der ausgeglichensten Liga der Welt.

Mehr dazu:
>> Ergebnisse und Tabelle der algerischen Liga

Julian Bischoff

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