16.04.2015 09:15 Uhr

Der Alles-Favorit: Bocas breite Brust

Die Fans der Boca Juniors wollen endlich wieder Titel bejubeln
Die Fans der Boca Juniors wollen endlich wieder Titel bejubeln

Selbstbewusst und euphorisch beendet Argentiniens Topklub das erste Quartal 2015. weltfussball nimmt die Boca Juniors ausführlich unter die Lupe. Die Südamerika-Kolumne.

Vor wenigen Monaten stand man am ehemaligen Hafen von Buenos Aires vor einem Scherbenhaufen. River Plate hatte nicht nur den Superclásico im Halbfinale der Copa Sudamericana gewonnen, der große Rivale gewann letztendlich gar den Cup.

Für einen "Bostero" gibt es nichts Schlimmeres, als den Erzfeind feiern zu sehen. "Mannschaften wachsen in schwierigen Zeiten", sagte Boca Trainer Arruabarrena zuletzt über diese Phase, "und dieses Team ist aus dem letzten Jahr gestärkt hervorgegangen."

Boca fühlt sich wieder als "Alles-Favorit"

Nun ist etwa das erste Viertel des Fußballjahres vorüber und Boca liefert hervorragende Zahlen. In der nationalen Meisterschaft steht man mit der besten Abwehr an zweiter Position und in der Copa Libertadores qualifiziert sich Boca vermutlich mit dem stärksten Angriff als bester Gruppensieger für das Achtelfinale. Mit breiter Brust sehen sich die Millionen argentinischer "Xeneizes" wieder als Alles-Favorit.

Und wahrhaftig, das Team aus dem von genuesischen ("Xeneizes") Einwanderern geprägten Hafenviertel ist immer Favorit. Der wohl berühmteste Verein Südamerikas wird auf dem gesamten Kontinent gefürchtet. Kein Gegner spielt gerne im Hexenkessel "Bombonera".

Zudem hat die Mannschaft mit dem charakteristischen gelben Balken auf der Brust seit dieser Saison auch wieder eine sportliche Identität. Trainer Arruabarrena, meist nur "el vasco" ("der Baske") genannt, meistert die schwierige Nachfolge des erfolgreichsten Trainers der Vereinsgeschichte, Carlos Bianchi, mit Ruhe und Souveränität. Aber in der vergangenen Saison fehlte ihm auf dem Spielfeld noch eine Persönlichkeit, ein Spieler für die Titelseite, einer für die Fans.

Daniel Osvaldo: Ein Typ für die Tribüne

Im Mittelfeld zieht mit Fernando Gago ein international erfahrener Nationalspieler die Fäden. Allerdings ist der Mann auf der Sechser-Position (die in Argentinien übrigens als fünf bezeichnet wird) keiner für die Tribüne. Seit dem nervenaufreibenden Abgang der launischen Diva Riquelme fehlte Boca ein echter Typ. Es kam Daniel Osvaldo, ein "tribunero", wie er im Buche steht.

Ein "tribunero" spielt für die Zuschauer. Er trickst, provoziert und lässt sich feiern. Bereits sechs Mal packte der von Southampton ausgeliehene Osvaldo sein imaginäres Maschinengewehr zum Torjubel aus. Dazu kommen junge Leute wie Calleri und der uruguayische Nationalspieler Lodeiro, die endlich Riquelmes Raum füllen dürfen.

Boca hat investiert und ist aus der letzten Transferphase mit einer für den Verein ungewöhnlich negativen Bilanz herausgegangen. Präsident Angelici will 2015 um jeden Preis einen Titel gewinnen. Schließlich gibt es am Ende des Jahres Präsidentschaftswahlen bei Boca. Trotz der Lobbyarbeit des Ex-Präsidenten und derzeitigen Bürgermeisters von Buenos Aires Mauricio Macri, wird auch Angelici letztendlich an Erfolgen gemessen. Und die vermissen die Boca-Anhänger seit geraumer Zeit.

Und ohne rosa Brille?

Man kann Bocas derzeitige Situation nämlich auch deutlich kritischer analysieren. In der auf 30 Mannschaften angeschwollenen argentinischen Liga spielten die "Xeneizes" bisher nur gegen Teams vom Tabellenplatz 16 abwärts. In der Copa Libertadores tobte man sich in der mit Abstand schwächsten Gruppe gegen die No Names Palestino, Wanderers und Zamora aus. Und vielleicht ist es auch nur eine Frage der Zeit, bis der neue Publikumsliebling Osvaldo den ersten Ausraster erlebt. Immerhin hatte der Mittelstürmer bereits bei seinen vorherigen Klubs AS Roma und Inter teils heftigste Auseinandersetzungen mit Mitspielern und auch beim WM-Finale war er auf der Tribüne des Maracanã in eine handfeste Keilerei mit brasilianischen Zuschauern verwickelt.

In den nächsten Wochen muss Boca sich sportlich beweisen. Denn da kommt es in der Liga zu den Derbys gegen Independiente und River Plate. Auf letzteren Erzrivalen könnte man sogar im Achtelfinale der Copa Libertadores treffen. Ein Duell, welches das Prinzip der Setzliste (bester Gruppenerster gegen schlechtesten Gruppenzweiten) aushebeln würde. Eine Niederlage gegen River würde das gesamte Jahr versauern.

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Für weltfussball berichtet aus Südamerika: Viktor Coco

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