St. Pöltens Wölfe heulen europäisch

"St. Pölten mitten in Europa" lautet der Slogan der Hauptstadt von Niederösterreich. Der SKN St. Pölten hat es dank eines 1:0-Erfolgs n.V. im ÖFB-Cup-Halbfinale gegen Sturm Graz nun erstmals nach Europa geschafft, weil Endspielgegner RB Salzburg als Meister bereits ein Europacup-Ticket hat. Schaffen es die Wölfe gar in die Gruppenphase, werden sie selbige in Linz bestreiten. Die zwei Jahre alte NV Arena erfüllt nicht die erforderlichen Auflagen der UEFA.
Wenn Tomasz Wisio mit nacktem Oberkörper am Rasen kniet und ein Stoßgebet in den Himmel schickt. Wenn Gary Noël die englische Fahne schultert. Wenn Landeshauptmann Erwin Pröll sich vom Ledersitz erhebt und die Mehrzahl der VIPs bei "Steht auf, wenn ihr Wölfe seid!" auch noch mitsingt. Dann ist der SKN St. Pölten in der Europa League.
"Finale" und "Klagenfurt" waren in der NV Arena eher wenig geflügelte Worte. Europacup war der Burner. "Europapokal, Europapokal, Europapokal!" schallte es auch relativ melodisch aus der Wolfs-Kabine, just als aus der Blackies-Box vis-à-vis ein paar Sturm-Spieler mit hängenden Köpfen zum Auslaufen davonschlichen.
Sorgenkind Noël schoss die Wölfe nach Europa
Der Erstligist SKN St. Pölten hat Bundesligist Sturm Graz in der mit 8.000 Zuschauern ausverkauften NV Arena die Stirn geboten und dank eines Treffers von Joker Noël in der 98. Minute 1:0 gewonnen. Ausgerechnet der Stürmer, dessen mangelnde Fitness nach dem Weihnachtsurlaub Trainer Gerald Baumgartner noch mokierte, hat die Niederösterreicher nach Klagenfurt und nach Europa (weil Finalist Salzburg als Meister ebendort schon angekommen ist) geschossen.
Der Engländer Noël stammt aus dem Nachwuchs des FC Millwall und kam im Juli als Schützenkönig von Regionalligist SV Schwechat zum SKN. Wunschstürmer wäre der Niederösterreicher Stefan Maierhofer gewesen, der nun beim FC Millwall kickt und das Vertragsangebot des SKN mit dem Sager quittierte: "Da habe ich in Deutschland ja mehr Kirchensteuer gezahlt, als ich hier verdienen würde." Noël brachte nach dem Triumph auf Deutsch nur drei Worte heraus: "Ich bin sprachlos."
Baumgartner hat es bei der Analyse lediglich die Sprache verschlagen, als er gefragt wurde, wieviele Niederösterreicher nun nach Klagenfurt pilgern werden: "Ich bin Salzburger." Der letzte blaugelbe Klub im ÖFB-Cupfinale war Wiener Neustadt 2010 (0:1 gegen Sturm). Davor schaffte es Admira 1996 ins Endspiel gegen Sturm (1:3) und gegen Austria 1992 (0:1).
Stockerau und der Kremser SC waren schon dort
Die letzten niederösterreichischen Cupsieger waren der SV Stockerau 1991 und der Kremser SC 1988. Stockerau bezwang unter Trainer Willy Kreuz Rapid im Praterstadion 2:1, was Hans Krankl den Trainer-Job bei den Hütteldorfern kostete. Krems bezwang unter Ernst Weber Ernst Happels FC Tirol in zwei Spielen. Der KSC gewann daheim 2:0 und unterlag auswärts 1:3.
Im Europacup sind beide gleich ausgeschieden. Die Stockerauer unterlagen Tottenham mit dem Sturmduo Gary Linker und Gordon Durie zwei Mal 0:1. Manche englische Medien wussten damals nicht einmal, wer der Sponsor und was die Stadt des Gegners ist und berichteten von einem Sieg der Spurs über Sparkasse. Der Kremser SC, dann unter Karl Daxbacher, kassierte gegen Carl Zeiss Jena eine 0:5-Auswärtsniederlage und feierte im Rückspiel einen 1:0-Achtungserfolg.
>> SV Stockerau gegen Tottenham im Cupsieger-Cup
>> Kremser SC gegen Carl Zeiss Jena im Cupsieger Cup
Die Stockerauer spielen derzeit in der 2. NÖ Landesliga Ost. Die Kremser wurden soeben Meister in der 2. NÖ Landesliga West und feiern den Titel Samstag unter anderem mit dem Gesangsduo Martina Martinelli/Frenkie Schinkels.
Baumgartner sieht Final-Parallele
Für den SKN St Pölten steht Samstag wieder der Liga-Alltag gegen Erstliga-Schlusslicht Vienna (ab 16:30 Uhr im weltfussball-Liveticker) an. Am 18. Mai steigt das Cupfinale gegen RB Salzburg.
Ob Baumgartner erneut eine so offensive Taktik wie gegen Sturm wagt, weiß er noch nicht. Andererseits: "Gegen Salzburg kannst du mit jeder Taktik untergehen. Das ist die derzeit stärkste Mannschaft Österreichs." Nachsatz: "Aber das war letztes Jahr die Austria auch und wir haben sie mit Pasching bezwungen."
Die EL-Gruppenphase würde St. Pölten in Linz spielen
Die Qualifikation für die Europa League wird der SKN St. Pölten in jedem Fall in der NV Arena spielen, egal in welcher Runde man als Finalsieger oder Finalverlierer einsteigt. Kleinere Adaptierungen sind vonnöten, da die UEFA kürzlich die Auflagen erhöht hat. Vor zwei Jahren, als das Stadion gebaut worden ist, hätte man noch bis zur 3. Qualirunde der Champions League mitkicken dürfen.
Sollte der Einzug in die Gruppenphase der Europa League gelingen, würden die Wölfe nach Linz ziehen. Das weit näher liegende Hanappi Stadion kommt ja nun nicht mehr dafür in Frage, weil es vor dem Abriss steht.
Mehr dazu:
>> Cupfinale ist für SKN "nettes Zubrot"
>> St. Pölten wirft Sturm Graz aus dem Cup
>> Salzburg feiert Schützenfest gegen Horn
>> Übersicht ÖFB-Cup
Thomas Schöpf