10.11.2020 22:54 Uhr

Wie läuft's bei ... Tuchel? Zu teuer für eine Entlassung

Thomas Tuchel an der Seitenlinie bei Paris Saint-Germain
Thomas Tuchel an der Seitenlinie bei Paris Saint-Germain

Die heimische Liga ist für Paris Saint-Germain längst nur noch Pflichtprogramm, einzig die Champions League zählt. Dort aber droht dem Vorjahresfinalisten in der nächsten Partie das Aus - und damit wohl auch dem deutschen Trainer Thomas Tuchel.

Thomas Tuchel hatte genug gehört, ihm reichte es. "Sie haben keinen Respekt für das, was wir tun", schnauzte der Trainer von Paris Saint-Germain den Reporter an, nachdem seine Mannschaft gerade mit 3:0 gegen Stade Rennes gewonnen hatte. Für Frankreichs Serienmeister war es in der Ligue 1 der achte Sieg in Folge, trotz der zwei Pleiten zum Auftakt enteilt PSG seiner nationalen Konkurrenz schon wieder, auch dank des Erfolgs im Spitzenspiel. Tuchel war trotzdem geladen.

"Ich spreche nur über das Spiel gegen Rennes", entgegnete der 47-Jährige auf die Frage, was er nach der Länderspielpause im so wichtigen Champions-League-Rückspiel gegen RB Leipzig erwarte. Das Nachhaken der Journalisten ist dabei nur allzu verständlich, schließlich droht der Vorjahresfinalist in der Gruppenphase zu scheitern. Nach dem 1:2 in Sachsen könnte eine erneute Niederlage gegen den Bundesligisten das Aus bereits besiegeln - nicht nur das von PSG in der europäischen Königsklasse, sondern auch das von Tuchel an der Pariser Seitenlinie.

Laut über die Zukunft des deutschen Trainers wird dabei nicht zum ersten Mal spekuliert, über die Entlassung im Misserfolgsfall schreibt die für gewöhnlich gut informierte französische Tageszeitung "L'Equipe". Seit 2018 coacht Tuchel das Ensemble um den brasilianischen Superstar Neymar, der zuletzt allerdings wie sein Sturmpartner Kylian Mbappé angeschlagen fehlte. Der 47-Jährige wird dabei immer begleitet von der Frage, ob er den hohen Ansprüchen der katarischen Investoren gerecht werden kann, die für ihre unzähligen Millionen so bald wie möglich den Champions-League-Titel ihr Eigen nennen möchten.

Leonardo und Tuchel sind keine Freunde

Entsprechend groß ist der Druck auf Tuchel, dessen Vertrag am Saisonende ausläuft, die Chancen auf eine Weiterbeschäftigung stehen offensichtlich schlecht. "Wenn ein Trainer in ein auslaufendes Vertragswerk geht und bislang keine Gespräche stattgefunden haben, nachdem was wir bislang abgeliefert haben, dann können wir trotzdem für alle Möglichkeiten offenbleiben, aber träumen müssen wir nicht", erklärte der Übungsleiter am Rande der Niederlage in Leipzig.

Diese Grundstimmung erklärt dann womöglich auch, warum selbst so ein klares 3:0 gegen den Vorjahresdritten Stade Rennes die Laune kaum merklich anhebt. Auch Fragen zu den Spannungen zwischen Sportdirektor Leonardo und ihm selbst wehrte Tuchel ab, verwies stattdessen darauf, er sei "sehr zufrieden mit meiner Mannschaft, sehr stolz auf diese Leistung und den Sieg". Das Verhältnis der beiden gilt schon seit längerem als belastet, auch wenn Leonardo im Klub-TV betonte, "dass wir intern nie daran gedacht haben, Tuchel zu ersetzen."

Ein Streitpunkt etwa ist die Kaderplanung, Leonardo ließ den Vertrag von Kapitän Thiago Silva auslaufen, bot ihm keine Verlängerung an. "Dies sind sehr schwierige Entscheidungen, bei denen es mehrere Meinungen gibt", sagte Tuchel im Juni und drückte trotz der diplomatischen Formulierung unmissverständlich aus, dass er den Abwehrchef und Kapitän gerne weiter gehalten hätte. Und: "Wenn die Mannschaft so bleibt, können wir nicht mehr über die gleichen Ziele sprechen." Leonardo konterte: "Falls jemand nicht glücklich ist, wenn er sich entscheidet zu bleiben, muss er sich entweder an die sportliche Politik oder die internen Regeln halten." Erst kurz vor Transferschluss erfüllte der Sportdirektor die Wünsche seines Trainers zumindest teilweise mit den Neuzugängen Moise Kean (FC Everton), Danilo Pereira (FC Porto) und Rafinha Alcantara (FC Barcelona).

In der Mannschaft aber genießt Tuchel Rückendeckung, schließlich erklärte der neue Kapitän Marquinhos: "Wir haben Vertrauen in den Trainer." Und untermauerte zugleich, dass es sich dabei nicht ausschließlich um eine Floskel handelte, denn "wenn die Dinge nicht laufen, ist es nicht nur die Schuld des Trainers." Im Umgang mit den Superstars, allen voran Neymar und Mbappé, hat sich Tuchel weiterentwickelt, auch wenn die Szenen zwischen Trainer und Spieler manchmal an eine Hassliebe erinnern.

Rückendeckung aus Katar

Wieder und wieder schreien Tuchel und seine Profis erst lautstark und gestenreich an, um sich anschließend im gemeinsamen Jubel in die Arme zu fallen. In der Corona-Pause machte der 47-Jährige offenbar so viel Eindruck, dass Neymar hinterher davon sprach, die Mannschaft sei "wie eine Familie". Und auch die Klubbosse halten offenbar weiterhin zu Tuchel, dessen Verpflichtung angeblich auf persönlichen Wunsch des katarischen Staatsoberhauptes Scheich Tamim bin Hamad al-Thani zurückgeht.

All diese positive Bestärkung hilft aber wohl nichts, wenn nach dem Heimspiel gegen Leipzig am 24. November weiter nur ein Sieg in dann vier Champions-League-Partien gelungen ist. Die Titel in der heimischen Liga sind längst kein Erfolg, sondern längst schnödes Pflichtprogramm. Kein Wunder, schließlich liegt der Marktwert des PSG-Kaders "Transfermarkt.de" zufolge bei rund 860 Millionen Euro. Die drei "Verfolger" in dieser Wertung, Olympique Lyon, AS Monaco und OSC Lille, knacken diesen Wert gerade so eben in der Addition.

Für Tuchel geht es daher ums Ganze, wenn seine Elf nach der Länderspiel-Unterbrechung den brausegestützten Emporkömmling aus Leipzig empfängt. Etwas absurd klingt dabei, was laut "L'Équipe" selbst im Falle einer Niederlage für einen Verbleib des Deutschen sprechen könnte: seine Abfindung von rund zehn Millionen Euro. Die möchte PSG demzufolge nur höchst ungern ausgeben, da sich auch beim Hauptstadtklub die Corona-Pandemie finanziell bemerkbar machen soll. Was angesichts der Summen, die dort sonst bewegt werden, reichlich absurd klingt.

Torben Siemer

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