04.11.2020 15:42 Uhr

Die Gründe für Bayerns ungewohnte Defensiv-Schwäche

Defensiv-Schwächen beim FC Bayern vor dem BVB-Spiel
Defensiv-Schwächen beim FC Bayern vor dem BVB-Spiel

In zwölf Pflichtspielen der laufenden Saison hat der FC Bayern bereits 15 Gegentreffer kassiert, neun davon alleine in der Bundesliga. Zwei Stars sind außer Form, auch Trainer Hansi Flick ist nicht unschuldig an der ungewohnten Defensiv-Schwäche seines Teams. Diese beschert dem Top-Spiel beim BVB am Samstag eine überraschende Ausgangslage.

Schon nach vier Minuten war Manuel Neuers Chance auf sein viertes Zu-Null-Spiel im zehnten Saisoneinsatz vorbei.

Einem schnell vorgetragenen Angriff der Gastgeber hatten seine Vorderleute beim Champions-League-Auswärtsspiel in Salzburg nichts entgegen zu setzen. David Alaba verteidigte in der Mitte zu zögerlich, Benjamin Pavard stand halbrechts falsch - Mergim Berisha traf für den österreichischen Meister zur frühen 1:0-Führung.

Später musste Neuer noch ein zweites Mal hinter sich greifen. Ein feiner Pass des früheren Leverkuseners André Ramalho hebelte die gesamte Münchner Hintermannschaft aus. Masaya Okugawa vollstreckte eiskalt am Nationalkeeper vorbei zum zwischenzeitlichen 2:2. Salzburg hätte sogar noch häufiger treffen können. Satte elf Schüsse aufs eigene Tor ließen die Bayern insgesamt zu.

Dass der Titelverteidiger die Partie am Ende doch deutlich gewann, hatte er seiner überragenden Offensiv-Maschinerie zu verdanken, die das 6:2 in der Schlussphase mit vier Treffern binnen elf Minuten herausschoss.

"Es war das erwartet schwere Spiel heute. Ich denke, dass die Salzburger sehr gut gespielt haben. Wir hatten gute Phasen, aber auch schlechte", zog Jérôme Boateng im Anschluss an die Begegnung ein durchwachsenes Fazit.

FC Bayern: Vorne hui, hinten (manchmal) pfui

Das Salzburg-Spiel war nicht die einzige Gelegenheit in dieser Saison, bei der die Münchner nur eine Kraftanstrengung ihrer Abteilung Attacke vor einem Rückschlag bewahrte. Man denke an das 4:3-Scheibenschießen in der Liga gegen Hertha BSC, oder den knappen 3:2-Erfolg im Supercup gegen Dortmund.

Am zweiten Spieltag in Hoffenheim offenbarten die Bayern ebenfalls arge Defizite in Sachen Torverhinderung. Da auch die Offensive nicht ins Rollen kam, setzt es eine deutliche 1:4-Schlappe, die bislang einzige Niederlage.

Frappierend: Kassierte der FC Bayern in der gesamten vergangenen Bundesligasaison lediglich 32 Gegentore, also 0,9 pro Spiel, sind es aktuell im Schnitt 1,5. Der alten Maxime zufolge, dass die Offensive Spiele gewinnt, die Defensive aber Meisterschaften, könnte es der Quintuple-Sieger schwer haben, seine Titel zu verteidigen.

Zwei Stars des FC Bayern außer Form

Die Gründe für Bayerns regelmäßige Abwehr-Wackler sind vielschichtig. Pavard, den im Schlussspurt der letzten Spielzeit eine Bänderverletzung stoppte, ist meilenweit entfernt von seiner Bestform. Gegen Salzburg erhielt der Franzose nicht nur wegen seines Patzers vor dem 0:1 die sport.de-Note 5.

Ähnliches gilt für David Alaba (sport.de-Note 4,5 in Salzburg). Flicks Abwehrchef ist bei weitem noch nicht der souveräne Ruhepol der Vorsaison. Womöglich auch, weil der österreichische Nationalspieler den Kopf angesichts des inzwischen zur öffentlichen Schlammschlacht ausgearteten Pokers um seine Zukunft nicht frei hat.

So bleiben mit Boateng und Lucas Hernández, der nach einem enttäuschenden Premierenjahr im Bayern-Trikot inzwischen aufblüht, lediglich zwei formstarke Stammkräfte.

FC Bayern kassiert viele Gegentore, BVB rührt Beton an

Zudem erschweren zahlreiche Personalwechsel die gerade im Defensivbereich so wichtige Abstimmung. Diese sind einerseits erzwungen, Alphonso Davies (Sprunggelenksverletzung) fehlt noch wochenlang, auch Niklas Süle (Corona-Infektion) steht derzeit nicht zur Verfügung.

Andererseits rotiert Flick auch in der Abwehr munter hin und her - eine aufgrund des eng getakteten Spielplans womöglich alternativlose, aber nichtsdestotrotz nicht unproblematische Herangehensweise.

Der gesamten Mannschaft scheint darüber hinaus gegen den Ball in einigen Szenen der nötige Biss zu fehlen, Unkonzentriertheiten runden das in Teilen durchaus besorgniserregende Bild ab. Weil die vielbeschworene Gier nach fünf Titeln innerhalb der letzten sechs Monate fehlt? Oder weil das (mitunter trügerische, siehe Hoffenheim) Vertrauen in die Künste der Offensive um Robert Lewandowski grenzenlos groß ist?

Für Flick dürften die Defensiv-Schwächen neben der sich immer weiter zuspitzenden Causa Alaba die wohl größte Baustelle vor dem Auftritt in Dortmund und den nächsten Wochen bis zur kurzen Winterpause sein. 

Bemerkenswert und überraschend: Während gleich neun Teams bislang weniger Gegentreffer kassiert haben als der FC Bayern, stellt der BVB die mit Abstand beste Defensive der Liga. Erst zwei Mal schafften es die gegnerischen Mannschaften, den Ball im Netz der Schwarz-Gelben unterzubringen.

Tobias Knoop

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