04.11.2020 11:35 Uhr

Zu wenig Biss? Die Probleme der Leipziger "Jungbullen"

Julian Nagelsmann sieht bei den Eigengewächsen noch viel Luft nach oben
Julian Nagelsmann sieht bei den Eigengewächsen noch viel Luft nach oben

Der rasante Aufstieg von RB Leipzig zu einem Champions-League-Halbfinalisten hat auch Verlierer produziert: die eigenen Talente. Ertrag und Aufwand stehen in der Nachwuchsarbeit in keinem Verhältnis.

Nach dem Bundesligadebüt bekam Joscha Wosz von seinem berühmten Onkel ein paar mahnende Worte mit auf den Weg. "Das Wichtigste ist, dass er jetzt klar bleibt", sagte Ex-Nationalspieler Darius Wosz, "er darf sich nicht gleich ein dickes Auto holen, wenn er zehn, 20 Bundesligaspiele hat."

So weit ist der 18-Jährige noch lange nicht, bei seinem Klub RB Leipzig durfte der Youngster gerade einmal rund zehn Minuten Bundesligaluft schnuppern. Und das auch nur, weil Leipzig zum Zeitpunkt seiner Einwechslung schon 4:0 gegen völlig überforderte Schalker geführt hatte. Danach war Wosz zweimal ohne Einsatz im Kader, andere RB-Talente sind sogar noch weiter weg von der Startelf. Trainer Julian Nagelsmann fehlt bei den Jungen der Biss.

30 Mio. Euro wurden investiert

"Da muss ich als junger Spieler in die Profi-Kabine gehen, mich umziehen und dann muss der Rasen brennen", sagte der 33-Jährige. Diese Einstellung sehe er "nicht bei allen", den absoluten Siegeswillen noch viel weniger. "Sehe ich diese Gier, kriegen sie auch mehr Einsatzzeiten", versprach Nagelsmann. Bringt das Talent aber keine Top-Mentalität auf den Platz und in die Kabine, betonte der Trainer, "fressen die Profis ihn auf." Wenn er aber "wie ein Irrer marschiert und sich zerreißt, dann wird ihm auch mal ein Fehlpass verziehen."

Dass seit der Einweihung der hochmodernen Akademie am Cottaweg vor fünf Jahren noch kein einziges Eigengewächs den Durchbruch geschafft hat, schmerzt die Verantwortlichen sehr. Für die Summe von 30 Millionen Euro wurden auf einer Fläche von sechs Hektar fast paradiesische Verhältnisse geschaffen: Vier Rasen- und drei Kunstrasenplätze, ein Hauptgebäude mit High-Tech-Geräten, Wellnessbereich mit Gegenstromanlage, ein 50 m langer Laufschlauch und, und, und.

Ralf Rangnick, der einstige Architekt des Projekts RB, schwärmte von "fantastischen Bedingungen". Besonders wichtig war dem Macher die enge Verzahnung von Profis und Nachwuchsspielern, sie sollten sich im "Bullenstall" möglichst oft begegnen und austauschen. Zahlreiche Top-Talente wurden zudem von umliegenden Vereinen abgeworben, so mancher Konkurrent sprach sogar vom "Talente-Klau". Gewechselt ist auch viel Knowhow durch renommierte Nachwuchstrainer.

Mintzlaff erhofft sich Besserungen

Der Ertrag für all die Anstrengungen und Kosten steht aber in keinem Verhältnis. Die hoffnungsvollen Jungstars im Kader kommen aus Paris, Salzburg oder New York und nicht aus Leipzig, Eilenburg oder Delitzsch. Als Konsequenz krempelte RB die Nachwuchsarbeit seit dieser Saison um, es soll verstärkt altersübergreifend und individual-spezifisch trainiert werden.

Klar ist: Durch den rasanten Aufstieg der Profimannschaft bis zu einem Champions-League-Halbfinalisten ist es für den eigenen Nachwuchs deutlich schwieriger geworden. "Wir müssen festhalten, dass wir bei unserer Entwicklung den Nachwuchsbereich nicht im gleichen Tempo mitgezogen haben", sagte Geschäftsführer Oliver Mintzlaff, der sich mit dem Status Quo aber nicht abfinden will: "Jedes Rädchen muss ineinander greifen, und dazu gehört auch der Profibereich."

Nagelsmann würde gerne mehr Talente ins kalte Wasser werfen, so wie er es zuvor auch in Hoffenheim gemacht hatte. Durch die immensen Belastungen in dieser Saison sei die Chance so groß wie nie, so Nagelsmann. Wosz und Co. müssten nur den Eindruck vermitteln, "diese Welt einreißen zu wollen".

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