02.09.2020 18:13 Uhr

Kroos zwischen "Zauberer" und "Querpass-Toni"

Toni Kroos ist für Joachim Löw gesetzt
Toni Kroos ist für Joachim Löw gesetzt

Auch zum Start ins EM-Jahr setzt Joachim Löw auf Toni Kroos als Spielgestalter und Anführer. Für Löw und andere Experten ist der Weltmeister von 2014 ein begnadeter Spieler, für manche gilt er aber weiter als überschätzt.

Robbie Williams fläzt sich auf seinem beigen Sofa, das Designerhemd ist fast bis zum Bauchnabel aufgeknöpft. Mit Süßholz raspelnder Stimme schwärmt der britische Popstar und große Fußballfan ausgerechnet von einem deutschen Spieler. "Sein Fuß ist magisch", sagt Williams: "Er ist ein Zauberer." Gemeint ist Toni Kroos.

In der nach ihm benannten Dokumentation, die am Montagabend im Free-TV Premiere feierte, huldigt nicht nur Williams dem Nationalspieler. Auch Startrainer wie Zinédine Zidane ("Ich liebe es, ihn trainieren zu sehen"), Pep Guardiola ("In schwierigen Momenten ist er der Mutigste von allen") und Jupp Heynckes ("Er sieht alles") übertreffen sich gegenseitig mit Lobeshymnen auf den Profi von Real Madrid.

Für Bundestrainer Joachim Löw ist Kroos ohnehin "ein absoluter Schlüsselspieler", der das stark verjüngte und ersatzgeschwächte DFB-Team zum Auftakt der Nations League am Donnerstag in Stuttgart gegen Spanien und drei Tage später in Basel gegen die Schweiz (beide 20:45 Uhr) als Kapitän anführen soll. Der Weltmeister von 2014 kommt zwar "locker flockig aus dem Urlaub", wie er selbst sagt. Doch auch ohne viel Training ist er bei Löw gesetzt - das muss er ihm auch nicht mehr mitteilen.

"Es ist eigentlich so: Wenn ich nichts höre von Jogi, dann reise ich an", verriet der 30-Jährige in seinem Spotify-Podcast "Einfach mal Luppen" mit seinem Bruder Felix. Die Kadernominierung verfolgt er deshalb schon lange nicht mehr, "in dem guten Gefühl, dass ich dann schon dabei bin". Und bei der EM im kommenden Sommer wolle er den noch fehlenden Titel in seiner Sammlung "tatsächlich holen", wie er am Mittwoch sagte.

Da ist es wieder, dieses enorme Selbstvertrauen, das Kritiker auch als Selbstüberschätzung bezeichnen. Trotz seiner riesigen Erfolge scheiden sich noch immer die Geister an seinem kühlen Auftreten und vor allem an seiner Spielweise. Für manche ist der 96-malige Nationalspieler der "Spiritus Rector", für andere der "Querpass-Toni". Der Profi, der als einziger Deutscher viermal die Champions League gewonnen hat, muss sich sportlich mitunter immer noch rechtfertigen.

"Ich war nie der, der 90 Minuten über den Platz sprintet oder 28 Grätschen macht", sagte Kroos einmal, nachdem ihn Ex-Nationalspieler Bernd Schuster als "Dieseltraktor" bezeichnet hatte, der "nur vor sich her trabt und nichts macht". Kroos steht über Kritik dieser Art, denn: "Wenn ich es leicht aussehen lasse, dann habe ich meinen Job erledigt."

Lässigkeit statt Null-Bock-Attitüde

Dass er es aufgrund seines oft unterkühlt wirkenden Temperaments nie zum Fanliebling bringen wird, ist dem Mecklenburger durchaus bewusst. "Ich befinde mich immer in einem neutralen Gefühlszustand, ohne Schwankungen", sagte er. Seine Frau Jessica verriet: "Toni wird diese Lässigkeit ja als Null-Bock-Art vorgeworfen - aber so ist er natürlich nicht."

Das beweist er im Podcast mit seinem Bruder. Dort plaudern die beiden Fußballprofis aus dem Nähkästchen, scherzen und nehmen sich gegenseitig auf die Schippe. Der Humor? Trocken. Auch Kroos' Spiel kommt ohne unnötige Schnörkel aus - und ist gerade deshalb so immens wichtig für seine Mannschaft. Daher denkt Löw überhaupt nicht daran, den letzten verbliebenen Feldspieler aus der Weltmeister-Startelf dem Umbruch zu opfern.

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