10.12.2019 11:30 Uhr

Julian Brandt dreht beim BVB auf: Favres großer Irrtum

Julian Brandt dreht beim BVB endlich auf
Julian Brandt dreht beim BVB endlich auf

Nach großen Anlaufschwierigkeiten kommt Julian Brandt bei Borussia Dortmund in den letzten Wochen in Fahrt. Vor dem Champions-League-"Endspiel" gegen Slavia Prag am Dienstag ist der Sommer-Neuzugang für den BVB nahezu unverzichtbar. Vor allem, weil ihn Trainer Lucien Favre endlich auf der richtigen Position einsetzt.

Als Julian Brandt beim 5:0 gegen Fortuna Düsseldorf gerade sein bislang bestes Spiel im BVB-Trikot absolviert hatte, war der Nationalspieler ein gefragter Gesprächspartner in der Mixed Zone des Signal Iduna Parks.

Brandt, trotz seiner erst 23 Jahre ein durchaus erfahrener Vertreter seiner Zunft, präsentierte sich den wartenden Journalisten selbstbewusst.

"Ich zweifle nie an mir. Das ist wirklich so", blickte er auf die ersten Wochen seines Engagements in Dortmund zurück. "Ich glaube, dass viele gute Dinge in mir stecken." Er sei "auf dem Weg dahin, dass es bei Borussia Dortmund so ist, wie viele es schon von mir kennen."

BVB zahlte 25 Millionen Euro für Julian Brandt - ein Schnäppchen?

Damit meinte Brandt sicherlich vor allem die letzte Rückrunde bei seinem Ex-Klub Bayer Leverkusen, das beste Halbjahr seiner bisherigen Karriere.

Brandt gehörte zu den herausragenden Mittelfeldspielern der Liga, war maßgeblich beteiligt am Einzug Bayers in die Champions League. Sieben Tore und zwölf Vorlagen standen insgesamt am Saisonende zu Buche - persönlicher Rekord.

Dass der BVB in Zeiten des völlig überhitzten Transfermarkts dank einer Ausstiegsklausel nur 25 Millionen Euro für den gebürtigen Bremer nach Leverkusen überweisen musste, wurde allerorten als Coup und echtes Schnäppchen bewertet.

Julian Brandt eins der Gesichter der BVB-Krise

Doch der WM-Teilnehmer von 2018 wurde ein Gesicht des durchwachsenen, in Teilen auch bitter enttäuschenden Saisonstarts der Borussia.

Kleinere Lichtblicke wie seine Leistung als Joker beim 1. FC Köln am zweiten Spieltag, die Champions-League-Spiele bei Slavia Prag und gegen Inter Mailand oder der Doppelpack im DFB-Pokal gegen Gladbach wechselten sich ab mit unauffälligen, teils schwachen Leistungen Brandts.

Beim 0:4-Debakel in München bekam er wie fast alle Teamkollegen kein Bein auf die Erde. Gegen den SC Paderborn im Anschluss wurde der Blondschopf beim Spielstand von 0:3 zur Pause eingewechselt, hatte an der Aufholjagd des BVB in der zweiten Hälfte aber keinen entscheidenden Anteil.

Lucien Favres Irrtum mit Julian Brandt

Das Problem: Trainer Lucien Favre fand für Brandt in seinem wochenlang in Stein gemeißelten 4-2-3-1-System keine adäquate Position.

In Leverkusen hatte der Rechtsfuß zuletzt besonders deswegen geglänzt, weil ihn Coach Peter Bosz weg von der offensiven Außenbahn in eine deutlich zentralere Rolle beorderte - die als kreativer Freigeist zwischen Sechs, Acht und Zehn.

Unter Favre war Brandt mal Außenstürmer, mal Reus-Ersatz hinter der Spitze, teilweise sogar ein (falscher) Neuner. Das taktische Korsett des in Dortmund zwischenzeitlich heftig umstrittenen Schweizer Fußballlehrers beraubte den jungen Profi seiner Stärken. Brandts suboptimale Positionierung war womöglich Favres größter Irrtum.

Umdenken nach Debakel beim FC Bayern

Erst die Tiefpunkte gegen den FC Bayern und Paderborn sowie die anschließende 1:3-Pleite beim FC Barcelona in der Champions League bewegten den 62-Jährigen zum Umdenken.

Gegen Hertha BSC verzichtete Favre erstmals überhaupt in dieser Saison auf einen zweiten Sechser neben Chef-Stratege Axel Witsel. Brandt durfte in seine Leverkusen-Rolle schlüpfen. Das Rezept ging auf, auch wenn der BVB nach dem Platzverweis für Mats Hummels mehr als eine Halbzeit lang in Unterzahl agierte.

Das Düsseldorf-Spiel schließlich wurde zum Triumphzug der neuen taktischen Grundordnung - und Brandts.

Bei nahezu jeder gefährlichen Aktion seiner Mannschaft hatte das ehemalige Sorgenkind seine Füße im Spiel, auch wenn Brandt ohne direkte Torbeteiligung blieb. 119 Ballkontakte, die meisten aller Akteure auf dem Platz, 90 Prozent angekommene Pässe, 91 Prozent Zweikampfquote - Brandts Performance auf seiner neuen alten Position beeindruckte.

"Es macht sehr viel Spaß auf dieser Position zu spielen. Ich glaube, wenn man aus dem Zentrum aktiv ist, dann kann das ein Spiel beleben", sagte der Matchwinner. Auch Favre freute sich über seinen späten, aber gelungenen Schachzug: "Wir haben festgestellt, dass die Taktik gut funktioniert, deshalb haben wir es über 90 Minuten so gespielt."

Witsel-Ausfall betrifft auch Julian Brandt

Bitter für Brandt und den BVB: Beginnend mit dem entscheidenden Gruppenspiel in der Königsklasse gegen Slavia muss Favre die neue Marschroute schon über den Haufen werfen oder zumindest weitreichend modifizieren.

Witsel, mit seiner Souveränität und Passsicherheit eigentlich der kongeniale Partner für Brandt in der Schaltzentrale, fällt nach seinem Treppensturz bis Jahresende aus. Anstelle des Belgiers wird der zuletzt formschwache Julian Weigl wohl auf der Sechs auflaufen.

Brandt als verbliebene Konstante im Zentrum wird angesichts dieses erzwungenen Umbaus noch wichtiger für Favre und den BVB - und muss nun beweisen, dass sein Aufschwung nachhaltig ist.

Tobias Knoop

Online-Wettanbieter: bet365 | Interwetten | sportingbet | Tipico Sportwetten