21.11.2019 15:30 Uhr

Belächelt und geschätzt: Die zwei Gesichter des Hasan S.

Hasan Salihamidzic zeigt beim FC Bayern zwei Gesichter
Hasan Salihamidzic zeigt beim FC Bayern zwei Gesichter

Vor rund zweieinhalb Jahren wurde Hasan Salihamidzic als Sportdirektor des FC Bayern München vorgestellt. Seitdem versucht sich "Brazzo", übersetzt "das Bürschchen", beim deutschen Fußball-Rekordmeister zu profilieren. Schließlich wird der 42-Jährige im kommenden Sommer sogar zum Sportvorstand befördert.

Doch während sich der ehemalige FCB-Profi in fachlicher Hinsicht bereits einen Namen gemacht hat, hapert es in der Außendarstellung noch deutlich.

sport.de blickt auf die zwei Gesichter des Hasan Salihamidzic:

  • Salihamidzic beim FC Bayern: Der Belächelte

Zugegeben: Als Nachfolger des wortgewandten Matthias Sammer trat der Bosnier im Sommer 2017 in äußerst große Fußstapfen. Insbesondere in den ersten Monaten seiner Amtszeit wirkte Salihamidzic daher eher wie ein Praktikant. Auch, weil er sich mit hochtrabenden Statements merklich zurückhielt, wohl in dem Wissen, dass diese nicht zu seinen größten Stärken gehören. Nur langsam schwamm sich der Sportdirektor - angeschoben von der Führungsetage des FCB - frei, machte jedoch beim Versuch, sein Profil mit dem ein oder anderen öffentlichen Auftritt zu schärfen, eine eher unglückliche Figur:

So geschehen auf der legendären FCB-Pressekonferenz im Oktober 2018, als er sich von Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge unterbuttern ließ - oder im folgenden Winter, als er Callum Hudson-Odoi forsch zum "Wunschspieler" machte und und nach dem Scheitern des Deals kleinlaut zugeben musste, dass er "die Sache hätte besser machen können". 

Sein neuester unfreiwillig komischer Auftritt datiert von Ende Oktober: Nachdem der FC Bayern mit Ach und Krach gegen den VfL Bochum ins Achtelfinale des DFB-Pokals einzogen war, versuchte sich "Brazzo" mit einer Portion Sarkasmus und Ironie an den Mikrofonen. Doch sein "Grinse-Auftritt" wirkte am Ende wenig souverän, auch, weil es der Sportdirektor nicht schaffte, seine selbstgewählte Rolle stringent durchzuhalten. Am Ende blieben unglückliche Aussagen wie "Ich bin nur hier, um hier zu sein" hängen.

Zu viele unglückliche Auftritte

Nicht ganz ohne Berechtigung wurde dem Bosnier auf der Mitgliederversammlung des Klubs vor wenigen Tagen in einer Wortmeldung ein Rhetorik-Kurs empfohlen. Ein Vorschlag, der von Teilen des Publikums mit Applaus bedacht wurde, einen anderen Teil jedoch auch zu Buhrufen und Pfiffen animierte. In aller Deutlichkeit war hier zu spüren, dass der 42-Jährige im Fanlager nicht unumstritten ist. Ganz anders als in der Führungsetage. Diese warf sich in Person von Hoeneß - zuletzt mit seinem Wutanruf im "Doppelpass" - und Rummenigge wiederholt vor den ehemaligen Bayern-Profi. 

"Wenn ich sehe, dass seine Rhetorik kritisiert wird, gebe ich zu bedenken: Deutsch ist nicht seine Muttersprache", hielt der Vorstandsvorsitzende den Salihamidzic-Kritikern auf der JHV entgegen.

Doch genau hier scheint eines der großen Probleme des Bosnier zu liegen, dem es in der Außendarstellung immer noch an Gewandheit fehlt. Die natürliche Limitation seines Sprachvermögens scheint dem 42-Jährigen vor den TV-Kameras und in Interviews Stress zu bereiten, der wiederum in unglücklichen Auftritten mündet.

Der Druck, auf der Suche nach Anerkennung das Richtige zu sagen, wächst weiter. Und er wird nicht weniger werden, wenn ab Januar 2020 mit Oliver Kahn eine Persönlichkeit mit erdrückend großer Aura ihre Kreise beim FC Bayern zieht, jener "Titan", der sich im Gegensatz zum "Bürschchen" nicht erst beweisen muss.

  • Salihamidzic beim FC Bayern: Der Hintergrundarbeiter

Während der Sportdirektor bei öffentlichen Terminen schon das ein oder andere Fettnäpchen mitgenommen hat, scheint er im Hintergrund hervorragende Arbeit zu leisten und genau dort seine wahren Stärken auszuspielen. Der Bosnier gilt als extrem fleißig, lernwillig und engagiert.

Als Kaderplaner zeichnete er sich, wie Hoeneß nicht müde wird zu betonen, unter anderem für die Top-Transfers von Lucas Hernández, Benjamin Pavard sowie Alphonso Davies verantwortlich. Der Bayern-Blog "Miansanrot" stellte ihm für seine Aktivitäten in den letzten 2,5 Jahren ein Transferzeugnis mit der Durchschnittsnote 1,8 aus und lobte den Bosnier für Verpflichtungen, wie die von Ivan Perišić oder Leon Goretzka.

Auch auf der Seite der Abgänge habe Salihamidzic gute Arbeit geleistet. Für den Verkauf von Mats Hummels erhielt er beispielsweise eine Top-Bewertung mit dem Zusatz: "Eine unpopuläre aber richtige Maßnahme." Der Kader sei nun so strukturiert, "dass man im nächsten Transfersommer mit z. B. Sané, Havertz, Nübel und Fein jene I-Tüpfelchen setzen kann, um in Europa wieder ganz vorne dabei zu sein", ist im Blog zu lesen.

Entsprechend resultiert auch Salihamidzics Beförderung im kommenden Sommer aus "hervorragender Arbeit" im Profi- und Nachwuchsbereich, wie die Münchner bekanntgaben. Wie jene "hervorragende Arbeit" aussieht, ließ sich zuletzt am Mittwoch am Rande der Vertragsverlängerung mit Nachwuchskeeper Christian Früchtl ablesen.

Salihamidzic hat den Jugendbereich des FC Bayern im Auge

Diese sei "das Ergebnis sehr offener und konstruktiver Gespräche mit Hasan Salihamidzic" gewesen, "der mit unglaublichem Einsatz, Begeisterung und Detail-Kenntnis auch den Jugendbereich des FCB im Auge hat", lobte Früchtl-Berater Christian Rößner den Sportdirektor gegenüber "Bild". "Wir haben gespürt, dass Hasan viel daran liegt, auch junge Spieler aus dem eigenen Campus an die Profimannschaft heranzuführen."

Neben seinem Engagement für den Nachwuchs hat "Brazzo" aber auch die großen Transfers weiter im Auge und ist bereit, dafür weite Wege zu gehen. Dem Vernehmen nach soll er zuletzt in England gewesen sein, um Vorbereitungen für den Wechsel von Leroy Sané zu treffen. 

Rummenigge ist ohnehin begeistert von der Arbeit des 42-Jährigen. "Er ist ein Mensch mit Visionen für den Kader, für die Entwicklung der Spieler und für die Entwicklung der Mannschaft. Er gibt jeden Tag hundert Prozent für den FC Bayern", schwärmte der Vorstandsboss auf der JHV und fügte an: "Es gibt für den Job keine Uni, die dich darauf vorbereitet. Man muss vom ersten Tag schwimmen und das tut Hasan."

Ob "Brazzo" den ganz großen Aufgaben in seiner neuen Rolle ab Sommer gewachsen ist, muss Salihamidzic allerdings noch zeigen. Denn für ein "Bürschchen" dürfte der Posten des Sportvorstandes am Ende zu groß sein.

Chris Rohdenburg

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