18.10.2019 12:48 Uhr

Schicksalsspiel? Das spricht für und gegen Lucien Favre

Läuft Lucien Favres Zeit beim BVB ab?
Läuft Lucien Favres Zeit beim BVB ab?

Am Samstagabend trifft Lucien Favre mit Borussia Dortmund auf seine alte Liebe Borussia Mönchengladbach. Für den BVB-Trainer ist es allerdings mehr als nur ein freudiges Wiedersehen. Nach zuletzt drei Unentschieden in Folge steht der 61-jährige Schweizer unter Druck.

Die Partie gegen den Tabellenführer Gladbach wird zeigen, in welche Richtung die mit Meisterschafstambitionen gestartete Saison für den Coach verläuft. sport.de beleuchtet die aktuelle Situation rund um den Dortmunder Trainer.

Das spricht für Lucien Favre

  • Favres Spielstil war und ist erfolgreich

Was man in der kleinen BVB-Krise nicht vergessen darf: Lucien Favre übernahm Dortmund nicht zu Glanzzeiten. Nach der Katastrophen-Saison unter Peter Bosz und Peter Stöger brauchte der Revierklub dringend einen Neustart.

Der gelang Favre - und wie! Der Schweizer formte aus einer verunsicherten Mannschaft den späteren Vize-Meister. Mit mutigem Offensivfußball und energischem Pressing spielte Dortmund in der vergangenen Saison den besten Fußball seit Langem, und das nicht zuletzt dank Favres Spielphilosophie.

Die Stärken der Schwarz-Gelben sind auch in der aktuellen Spielzeit deutlich erkennbar, beispielsweise beim 4:0-Sieg gegen Bayer Leverkusen. Das Manko liegt in der Konstanz, zu selten ruft das Team das enorme Potenzial auf dem Platz ab.

  • Stars stehen hinter ihrem Trainer

Auch wenn in den letzten Wochen vermehrt das Bild nach außen transportiert wurde, beim BVB gebe es interne Unstimmigkeiten, stärken die Spieler Favre den Rücken.

"Der Trainer ist ein hervorragender Taktiker, der immer versucht, eine gesunde Positivität in die Kabine zu bringen", erklärte Roman Bürki im Interview mit der "Sport Bild". Die Vorwürfe, dass den Coach die Hauptschuld an der Krise treffe, wollte der Keeper nicht gelten lassen.

Neuzugang Mats Hummels reagierte mit Unverständnis auf die Kritik, der Trainer könne die Mannschaft nicht motivieren: "Ich finde, dass er intern mehr aus sich herausgeht als in der Öffentlichkeit. Favre ist in der Kabine der Erste, der anfeuert, motiviert, auf Gefahren hinweist."

  • Der BVB hat keine Alternativen auf dem Transfermarkt

So trivial es klingen mag, aber den Schwarz-Gelben fehlen im Moment die Optionen, um auf eine eventuelle Trainerentlassung zu reagieren. Potenzielle Nachfolger, die den Ansprüchen der Klub-Bosse genügen, sind gerade schwer zu haben.

Zudem sollte der BVB durch die eigene Vergangenheit gewarnt sein. 2017, das letzte Mal, als sich Borussia Dortmund nach der Bosz-Entlassung Hals über Kopf auf Trainersuche begeben musste, war die Auswahl ebenfalls nicht besonders groß. Am Ende übernahm Stöger, die erfolglose Rückrunde ist bekannt.

Eine Trainer-Debatte stand in den letzten Wochen zumal gar nicht im Raum. "Es gibt keine Trainer-Diskussion. Daran hat sich nichts geändert", bügelte Sportdirektor Michael Zorc das Thema zuletzt ab.

Das spricht gegen Lucien Favre

  • Dem BVB fehlt ein Abwehrkonzept

So furios die Offensive des BVB teilweise spielt, so hanebüchen verteidigt die Defensive. Teilweise steht die Viererkette riskant auf Höhe der Mittellinie und wird mit einfachen langen Bällen düpiert. In anderen Situationen agiert die Abwehr viel zu passiv und lässt den gegnerischen Druck einfach geschehen.

Favre schafft es aktuell nicht, seine Defensive mit der nötigen Balance auszustatten. Dazu kommt eine eklatante Schwäche bei gegnerischen Standards. 14 Gegentreffer kassierte der BVB nach ruhenden Bällen, zu viel für eine Spitzenmannschaft.

  • Favres System scheint entschlüsselt

Regelmäßig über 60 Prozent Ballbesitz reichen nicht aus, um Spiele zu gewinnen. Diese Erkenntnis gewinnt Dortmund bislang. "Wir kontrollieren, vielleicht kontrollieren wir zu viel und greifen nicht genug an", bemerkte Mittelfeldspieler Thomas Delaney.

Denn trotz der größeren Spielanteile erzeugt der Revierklub kaum offensive Durchschlagskraft. Dem BVB fehlt im Spiel nach vorne schlicht das Tempo.

Mit einer Vielzahl von Querpässen lullt sich Dortmund bisweilen selbst ein. Favre hat kein Konzept gegen mittlerweile tiefer und im Zentrum dichter gestaffelte Gegner. Es scheint, als habe der Trainer keinen Plan B, keine Systemvariabilität.

  • Wenig Vertrauen von Watzke

Das von Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke ausgerufene Ziel der Deutschen Meisterschaft teilte Favre nur halbherzig und trat stattdessen auf die Euphoriebremse.

Für Zündstoff sorgte nun außerdem Watzkes neu erschienenes Buch "Echte Liebe. Ein Leben mit dem BVB". Darin gab der 60-Jährige zu, die Trennung von Jürgen Klopp 2015 zu bereuen.

"Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn wir die gesamte Mannschaft ausgetauscht hätten - und nicht den Trainer. Denn so einen Trainer würden wir nie mehr wieder bekommen. Aber im Nachhinein ist man immer schlauer", schrieb Watzke. Außerdem habe der BVB 2018 an einer - letztlich erfolglosen - Rückholaktion des Welttrainers gearbeitet.

Ein kleiner Seitenhieb in Richtung aller BVB-Trainer der letzten Jahre und insbesondere in Richtung Lucien Favre.

Tom Kühner

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