23.07.2019 00:37 Uhr

Janko zweifelt, ob sich ÖFB erneuern kann

"Wenn ich die Wahl hätte, wäre ich dennoch lieber unerkannt auf der Straße geblieben."

Marc Janko hat als Fußballer vor allem Tore für sich sprechen lassen. Nach dem Ende seiner aktiven Karriere wird der ehemalige Stürmer nicht leiser. Im Gegenteil. Aber eben anders. Nicht nur bei seiner neuen Tätigkeit als "Sky"-Bundesliga-Experte findet der 36-Jährige klare Worte.

Im Gespräch mit weltfussball bezieht Janko eloquent Stellung zur Struktur des ÖFB und ob er die Person wäre, die daran etwas ändern könnte. Außerdem kritisiert er das Streben nach falschen gesellschaftlichen Werten.

Wie geht es dir nach deinem Rücktritt?

Sehr gut. Es war der richtige Schritt.

Andere Ex-Profis spüren nach ihrer aktiven Karriere ihr restliches Leben lang die körperlichen Auswirkungen. Wirst du im Alter schmerzfrei die Stiegen hochsteigen können?

Ja, definitiv. Ich hätte noch ohne Probleme ein oder zwei Jahre spielen können. Wahrscheinlich hat es auch mit der Situation in Lugano zu tun. Weil ich dort sehr wenig gespielt habe, habe ich ein wenig die Freude am Fußball verloren. Deswegen konnte ich mich darauf vorbereiten. Für meine Familie hat es auch gut gepasst. Nicht nur im Sport, sondern auch im Leben braucht man ein gutes Timing. Wir ziehen zurück nach Wien, wir bauen ein Haus, das passt.

Du wechselst jetzt als neuer Sky-Experte quasi die Seiten. Welche Fragen haben dich als Spieler immer besonders genervt?

Ich hatte immer Verständnis für die Frage, aber wenn man als Spieler einen neuen Trainer bekommt und gleich auf die Frage antworten muss, wie der neue Coach denn so ist, hört man immer dasselbe. 'Total nett, super.' Außer, man will den Verein verlassen. Man kann ja nicht über seinen neuen Chef sagen, dass er ein Volltrottel ist, der keine Ausstrahlung hat. 

Hast du ein erklärtes Vorbild als TV-Experte?

Jürgen Klopp finde ich extrem faszinierend. Dem könnte ich stundenlang zuhören.

Jankos Karriere in Bildern

Du hast in deiner Laufbahn auch immer wieder zu Themen abseits des Fußballs Stellung genommen. Hat es dich gestört, dass du im Privatleben auf deinen Beruf reduziert wurdest?

Nein. In Wahrheit ist es Part of the Business. In dieser Funktion wird man öffentlich wahrgenommen, dem kann man sich nicht entziehen. Wenn ich die Wahl hätte, wäre ich dennoch lieber unerkannt auf der Straße geblieben. Aber das geht nicht, das muss man eben in Kauf nehmen. Am Anfang meiner Karriere habe ich bei Interviews mehr aus der Emotion heraus geantwortet. Mir war nicht bewusst, wie das vor dem Bildschirm wirken könnte. Mit dem Alter wird man gelassener. Es soll nicht so wirken, als ob ich mich beklage, aber es ist eben die Kehrseite der Medaille, die für viele Spieler nicht einfach zu nehmen ist.

In England haben vor wenigen Monaten Peter Crouch und Danny Rose zu Mental Health Awareness aufgerufen. Also psychische Probleme, die Fußballer haben. Auch weil sie permanent unter Druck stehen. Finden solche Themen zu wenig Beachtung?

Ich finde es gut, wenn man im weitesten Sinne Schwäche zeigt. In Zeiten der sozialen Netzwerke wird das gerne ausgeschlachtet. Man kann in unserer Gesellschaft de facto kaum Schwäche zeigen. Ich versuche momentan Instagram anders zu nutzen. Es hat mich irgendwann genervt, dass man ständig Perfektion gespiegelt bekommt. Perfekte Körper, perfekte Autos, die coolsten Flugzeugsitze, First Class, Business Class. Das hat nichts mit der Realität zu tun. Wenn man in der Öffentlichkeit steht, hat man eine gewisse Plattform. Ich finde, dass man speziell jüngeren Leuten auch das normale Leben zeigen muss. Dieses Streben nach der scheinbaren Perfektion ist eine Gefahr für die Gesellschaft. Normal ist ja nicht gleich schlecht.

Ist es eine Gefahr, wenn junge Menschen nach dem VIP-Lifestyle streben?

Ja, aber ich würde nicht sagen, dass es junge, sondern eher wenig reflektierte Menschen betrifft.

Ist es die Jagd nach den falschen Werten?

Absolut. Ich glaube auch nicht, dass das glücklich macht. Irgendwann kommt man vielleicht drauf, dass es im Leben um andere Sachen geht.

Man kann über viele schlechte Entwicklungen unserer Zeit reden. Was ist eine aktuell positive Entwicklung der Gesellschaft?

Die Politikverdrossenheit nimmt meiner Meinung nach ab. Ob das Klimapolitik ist, oder was auch immer. Die Leute treten für Sachen ein, das war nicht immer so.

Du warst zuletzt auch ein Kritiker des österreichischen Fußballverbands. Angenommen Österreich qualifiziert sich für die EM, kaschiert das dann gewisse Strukturprobleme?

Das ist ein Thema, das mich schon lange beschäftigt. Das ist ein System, bei dem sich die Entscheidungsträger nur selbst abwählen können. Nicht alle haben durch die Bank eine hundertprozentige sportliche Kompetenz. Deswegen halte ich es für schwierig, dass sich jemals etwas ändern wird. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

>> Flashback Oktober 2017: Harte Kritik von der Nationalelf an den ÖFB

Ist es denkbar, dass du dieses Rad irgendwann durchbrichst?

Sollte ich jemals für so eine Aufgabe in Frage kommen, wenn jemals der Wunsch geäußert wird, dass ich mich einbringe, dann muss man sich zusammensetzen und schauen, ob man das gemeinsam realisieren kann.

Bis dahin muss man ein Netzwerk im österreichischen Fußball aufbauen. Warst du durch deine Zeit im Ausland weg vom Fenster?

Ich habe immer mit einem Auge auf die Bundesliga geschaut. Durch meine knapp zehn Jahre im Ausland war ich nicht so greifbar wie andere Spieler. Ich bin meinen Weg so gegangen. Jetzt kann ich mir das Netzwerk über meinen Job bei "Sky" wieder aufbauen. Mittelfristig kann man dadurch vielleicht auch in das eine oder andere Feld hineinschnuppern.

Danke für das Gespräch.

Johannes Sturm

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