02.04.2019 14:46 Uhr

Der Drahtseilakt des HSV

HSV-Trainer Hannes Wolf (l.) konnte mit der Leistung seiner Mannschaft zuletzt nicht zufrieden sein
HSV-Trainer Hannes Wolf (l.) konnte mit der Leistung seiner Mannschaft zuletzt nicht zufrieden sein

Der Hamburger SV hat den jüngsten Kader in der 2. Fußball-Bundesliga. Statt auf Erfahrung setzt HSV-Trainer Hannes Wolf immer mehr auf die Jugend. Ein Drahtseilakt im Saisonendspurt, wie die vergangenen Wochen gezeigt haben.

Mitte März sendete der Nordklub ein mehr als deutliches Zeichen: Lewis Holtby wird nach der Saison nicht länger für die Rothosen auflaufen. Damit spart der HSV in Zukunft wohl eine Menge Gehalt ein, verzichtet jedoch auch freiwillig auf die Routine und Erfahrung des 28-Jährigen.

Zusammen mit dem derzeit verletzten Kapitän Aaron Hunt (32 Jahre) und Außenverteidiger Gotoku Sakai (28) war der Mittelfeldspieler eigentlich eine der Säulen im Spiel der Hanseaten - bis er von Wolf Anfang März zum Ersatzspieler degradiert wurde.

Seither freut sich beispielsweise der ehemalige Stuttgarter Berkay Özcan, 21 Jahre jung, auf Einsatzzeiten. Der Offensivspieler agierte in den letzten beiden Partien gegen den SV Darmstadt (2:3) und dem VfL Bochum (0:0) von Beginn an, auch dank Özcan schrumpfte der Altersschnitt jeweils auf 22,9 Jahre.

Zum Vergleich: Die Lilien (27,6) sowie der Revierklub (27,4) schickten deutlich ältere Anfangsformationen ins Rennen.

Junge HSV-Truppe fehlt die Cleverness

In beiden Partien blieb Hamburg deutlich hinter den Erwartungen und den eigenen Ansprüchen zurück. Die unerfahrene HSV-Elf verspielte vor eigener Kulisse gegen Darmstadt in der Schlussphase gar eine 2:0-Führung. Mittlerweile liegt der Herbstmeister der 2. Bundesliga drei Punkte hinter Spitzenreiter 1. FC Köln, der obendrein noch ein Spiel weniger auf dem Buckel hat.

"Es sind einzelne Momente, die uns gekillt haben. Es ist ja nicht so, dass die Darmstädter uns völlig überlegen waren. In den Momenten waren sie cleverer als wir", klagte der Trainer nach den verschenkten Punkten im Heimspiel. Hannes Wolf deutet damit auch an: Den Hamburger Jungspunden fehlt im Ligaalltag schlichtweg die nötige Abgezocktheit.

Gegen Bochum blieb das Team schließlich über weite Strecken unter den eigenen Möglichkeiten. Letztlich entging die junge Truppe gegen kämpfende Westfalen in der Schlussphase gar noch knapp der Niederlage. "Wir haben ein paar Themen, an denen wir arbeiten müssen, aber ich möchte das Spiel in Bochum auch nicht dramatisieren."

Hat der HSV ein Mentalitätsproblem?

Dennoch: Die letzten Spiele des einstigen Bundesliga-Dinos zeigen, dass durchaus ein Mentalitätsproblem an der Elbe besteht. "Da müssen wir uns nichts vormachen. Wenn du viele junge Spieler auf dem Platz hast und alle erwarten den Aufstieg, dann spitzt sich die Lage irgendwann einfach zu", so Sportvorstand Ralf Becker etwa gegenüber der "Hamburger Morgenpost".

Daher steckt der Hamburger SV in einer nicht unbedeutenden Zwickmühle im Saison-Endspurt - in dem es nicht nur um den fest eingeplanten Aufstieg, sondern auch um das Weiterkommen im DFB-Pokal geht. "Man muss einerseits Leistung fordern, darf aber auch nicht zu viel Druck machen." Letzteres ist bekanntermaßen in Hamburg seit jeher ein heikles Thema.

Der Trainer muss seiner jungen Mannschaft daher eine gewisse "mentale Stärke" verpassen. Gleichzeitig fordert Becker eine Mischung aus "Lockerheit und Konzentration", die der Mannschaft in Bochum noch abging. Klar ist nach dem Liga-Remis: "Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen."

HSV-Kapitän Hunt (bislang) nicht zu ersetzen

Schmerzlich vermisst wird vor allem Aaron Hunt, der nicht nur sportlich (acht Scorerpunkte in 19 Spielen) seinen Wert in dieser Saison mehrfach unter Beweis gestellt hat. Auch als Führungsspieler schaffte Hunt es, die jungen Mitspieler zu leiten.

"Wir haben jetzt die Jungs zur Verfügung, die wir haben. Wenn einer verletzt ist, dann ist er verletzt. Das müssen wir akzeptieren", so Becker, der gleichzeitig das bestehende Personal in die Pflicht nahm: "Wir sind überzeugt von den Spielern, die jetzt in Bochum dabei waren." Diese hätten "die sportliche Qualität", um auch "im Pokal eine Runde weiterzukommen".

So müssen es im Viertelfinale gegen den SC Paderborn die Herren Özcan, Mangala (21 Jahre), Janjicic (20), Jatta (20) oder Narey (24) im Mittelfeld richten.

Gut möglich also, dass deshalb einmal mehr Routinier Lewis Holtby auf der Bank Platz nehmen muss. Angesichts der Erkenntnisse aus den letzten Spielen und der Bedeutung des Pokalspiels verdeutlicht die Personalie. Der HSV vollführt einen riskanten Drahtseilakt.

Gerrit Kleiböhmer

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