18.02.2019 13:42 Uhr

Tedesco über Schalke-Krise, Pep und Co.

Domenico Tedesco und die Schalker durchleben eine harte Saison
Domenico Tedesco und die Schalker durchleben eine harte Saison

In der vergangenen Saison führte Domenico Tedesco Schalke 04 als Trainerneuling überraschend zur Vizemeisterschaft. Jetzt durchlebt er beim Traditionsklub die erste Krise seiner Karriere. Im Interview spricht der 33-Jährige vor dem Champions-League-Achtelfinale gegen Manchester City über Pep Guardiola, extreme Erfahrungen innerhalb kürzester Zeit und die Gründe für den Schalker Absturz.

Herr Tedesco, wenn Sie nicht Trainer von Schalke 04 wären - würden Sie einen Cent auf Ihren Klub im Champions-League-Achtelfinale gegen Manchester City setzen?

Domenico Tedesco (Trainer Schalke 04): Natürlich sind wir Außenseiter. ManCity macht in jeglicher Hinsicht überragend: tolle Spieler, toller Trainer, klare Spielidee. Alle Spieler kennen den Plan und setzen ihn zu 100 Prozent um. Aber wir sind nicht unverdient ins Achtelfinale gekommen, denn wir haben vor allem daheim gut gespielt und insgesamt elf Punkte gesammelt.

Sie treffen als Neuling in der Trainerbranche auf einen der Großen, der überall sofort Meister geworden ist. Ist Pep Guardiola für Sie ein Vorbild?

Pep ist definitiv ein super Trainer. Als ich Jugend trainiert habe, habe ich viele Spiele von Barcelona gesehen, auch von Bayern, und extrem viel zusammengeschnitten. Ich habe versucht, die Konzepte dahinter zu verstehen. Aber jeder Trainer hat seine eigene Geschichte, die ihn geprägt hat.

Ist sein Fußball am Reißbrett stilprägend für eine ganze Trainergeneration?

Ich glaube schon. Er hat es immer wieder geschafft, sich in jedem Land anzupassen. Er hat in Deutschland noch mehr als in Spanien auf das Thema Kontersicherung geachtet. Auch wenn viele sagen, dass der Ballbesitzfußball ihn prägt, finde ich auch, dass sein Pressing immer super ist. Er stellt sich auf die Spieler ein - wie bei Arjen Robben und Franck Ribery, die in seiner Zeit in München komplett "on fire" waren. Spiegelverkehrt auf den Flügeln - Linksfuß Robben auf rechts, Rechtsfuß Ribery auf links. Das sind Sachen, die von ihm kommen. Oder der Außenverteidiger, der nach innen zieht, um Ribery freizuschaufeln. Es ist schwierig, so etwas nachzuahmen. Man hat ja in der Jugend die Möglichkeit, ein bisschen zu experimentieren. Da gehören die Spieler dazu, aber da gehört natürlich auch der Trainer dazu. Er macht es hervorragend.

Hat er mit seinen Positions- und Taktikwechseln den heutigen Fußball maßgeblich geprägt?

Nicht nur er, auch Barcelona davor mit Johan Cruyff und dem Voetbal total. Da ist nur die Raumaufteilung wichtig und nicht, welcher Spieler in welchem Raum ist. Das hat er perfektioniert und auf die Spitze getrieben. Aber ihn zeichnet natürlich auch aus, dass die Spieler für ihn durchs Feuer gehen. Dass sie nach Ballverlust hinterherjagen, ist essentiell wichtig für seine Spielphilosophie.

Wenn Sie ihn im Restaurant träfen, würden Sie auch wie einst Thomas Tuchel mit Salz- und Pfefferstreuer über Fußballtaktik reden?

Nicht von Anfang an. Erstmal würde ich ihn freundlich begrüßen und dann mal schauen, was der Abend bringt. Aber man könnte sicher viel mit ihm über Fußball reden.

Das Achtelfinale bringt auch die Rückkehr von Leroy Sane, der zum ersten Mal gegen seinen alten Klub spielt. Wie finden Sie dieses Aufeinandertreffen?

Spannend. Ich habe Leroy einmal live im Stadion gesehen, als Schalke in Stuttgart durch sein Tor gewann. Da hat man schon gesehen, wozu der Junge in der Lage ist - mit seinem Tempo, mit seinem Tempodribbling. Er ist ein außergewöhnlicher Spieler mit außergewöhnlichen Fähigkeiten. Es wird schwer für uns, ihn zu verteidigen, ihn in den Griff zu bekommen. Da müssen wir in die Trickkiste greifen.

Sane ist ein Beispiel dafür, wie gut der Schalker Nachwuchs lange Zeit war, aber auch dafür, wie schnell die guten Spieler weg sind.

Das ist der Gang des Lebens. Wenn du als Schalke 04 mit ManCity oder ManUnited konkurrieren musst, dann wird's schwierig. Die Nachwuchsarbeit ist hier sehr gut, nicht nur in der U19 und der U17. Schalke ist in der Lage, gute, talentierte Spieler schon im Altersbereich 13, 14, 15 top zu entwickeln. Das wird immer wichtiger.

Spricht denn etwas für Schalke in diesem Duell?

Im Fußball gewinnt nicht immer der Favorit, das ist ja das Reizvolle daran. Wir glauben an unsere Chance, auch wenn sie vielleicht nicht riesig ist - und wir haben super super Zuschauer, die uns tragen können. Die Vorfreude ist groß.

Vor einem Jahr haben Sie gesagt, Ihr persönlicher Aufstieg vom Abstiegskampf in der 2. Liga bis in die Champions League sei in Lichtgeschwindigkeit erfolgt. Ging es auch in Lichtgeschwindigkeit bergab?

Ich kann das schon ganz gut einordnen. Vor etwas mehr als zwei Jahren wusste ich noch nicht, wie und ob es überhaupt weitergehen würde im Fußball. Da hatte ich in Hoffenheim gesagt, dass ich zum Saisonende als U19-Trainer aufhören würde - und zwar ohne dass ich schon einen anderen Job in der Hinterhand hatte. Es ist ein riesiges Privileg, hier Trainer sein zu dürfen. Wir investieren viel, arbeiten viel, führen viele Gespräche - und versuchen alles, Schalke in der Liga wieder auf Kurs zu bringen.

Andere Trainer machen solche Erfahrungen in vielen Jahren oder vielleicht nie. Ist es ein Lernen im Zeitraffer?

So empfinde ich es momentan nicht. Dafür müsste ich irgendwann einmal die Vogelperspektive einnehmen. Dann könnte ich schon sagen: Wahnsinn, was ich da alles erlebt habe, die komplette Bandbreite. Aber ich kann jetzt nicht sagen: Super, ich lerne ja viel in kurzer Zeit. Es geht ums Tagesgeschäft, um Schalke, nicht um meine Person.

Wie gehen Sie mit Misserfolgen um?

Die Spiele, die wir verlieren, nagen sehr an mir. Vor allem, wenn du am Anfang fünf am Stück verlierst, dann tut jede Niederlage, die dazu kommt, immer mehr weh. Aber wenn ich schon eine Idee fürs nächste Spiel habe, dann kann ich damit besser umgehen.

Denken Sie rund um die Uhr darüber nach, wie Sie da unten rauskommen? Oder schaffen Sie es, auch mal komplett abzuschalten?

Auch wenn's schwer ist - das muss man machen. Ansonsten riskiert man, die Energie zu verlieren, dann macht man alles nur mit Halbgas. Wenn wir samstags ein Spiel haben, ist der Sonntagnachmittag nur für mich und die Familie, das ist wichtig. Natürlich erwischt man sich dabei, dass man um 16 Uhr trotzdem noch mal ein bisschen nachdenkt. Dann läuft ein Bundesligaspiel, dann guckst du auch drauf.

Holen Sie sich in solch schwierigen Situationen Rat bei anderen?

Nicht nur in schlechten Zeiten, auch in guten. Um immer wieder die Selbstreflexion zu starten, denn du selbst bist in diesem Tunnelblick. Es ist kein Geheimnis, dass ich mich mit Huub Stevens gut austausche. Ich habe aber auch außerhalb des Fußballs Leute, die ich kontaktiere, die mich kontaktieren.

Warum ist Schalke in dieser Saison in der Bundesliga so abgestürzt?

Das ist eine Frage, auf die es nicht die eine Antwort gibt. Der Erfolg in der letzten Saison hat etwas bewirkt. Wir haben versucht, die Spannung oben zu halten. Aber es macht den Anschein, dass es nicht funktioniert hat - aus verschiedenen Gründen. Die vielen Verletzten beispielsweise sind für uns sehr belastend. Immer, wenn wir das Gefühl haben, jetzt haben wir einen Stamm, jetzt spielen wir uns ein, kriegen wir einen auf den Deckel. Aber das gehört dazu, dagegen muss man immer weiter ankämpfen.

Hat die Mannschaft gegenüber der letzten Saison mehr Qualität verloren als man glaubte?

Ich würde es gar nicht so an der reinen Qualität festmachen. Natürlich sind mit Leon Goretzka, Thilo Kehrer und Max Meyer Qualitätsspieler gegangen. Erst wenn sie nicht mehr da sind, merkt man, wie groß die Lücke ist. Wir hatten aber insgesamt eine hohe Fluktuation. Kehrer, Goretzka und Meyer sind weg, dann fällt Breel Embolo lange aus, dann Guido Burgstaller, Bastian Oczipka, Benjamin Stambouli und Alessandro Schöpf. Dazu hat uns Naldo verlassen. Das spüren wir natürlich. Aber wir sind überzeugt davon, das die jetzige Truppe Qualität hat.

Viele Neuzugänge leisten nicht das, was auch Sie erwartet haben. Woran liegt das? Sind es die falschen Spieler?

Salif Sane macht nahezu jedes Spiel. Er hat seine Qualitäten, genauso wie Mark Uth, Suat Serdar oder Sebastian Rudy. Das Problem ist einfach: Egal welchen Spieler du holst, wenn die ersten fünf Spiele in die Hose gehen, wird es für die Neuen immer schwer. Und auf Schalke ist es vielleicht noch einen Tick schwerer. Für die Jungs ist es komplett neu. Sie kommen aus Hoffenheim oder Mainz. Wir haben immer Zuschauer beim Training, im Stadion sind 60.000. Du hast mehr Medien. Du brauchst eine gewisse Adaption.

Kritiker sagen, in den letzten zweieinhalb Jahren ist für viel Geld eingekauft, die Mannschaft aber nicht besser, sondern wegen der Abgänge vieler Leistungsträger eher schlechter geworden. Wie sehen Sie das?

Sie ist jünger geworden - definitiv. Ob besser oder schlechter, kann man natürlich am Tabellenstand festmachen, aber nicht nur. Ich glaube, dass wir vielversprechende Jungs verpflichten konnten. Auch wenn Cedric Teuchert aufgrund von Verletzungen nicht richtig in Tritt kommt, ist er U21-Nationalspieler. Wir haben den Glauben, dass er mit 22, 23 explodieren kann. Mit Suat Serdar, Rabbi Matondo und Ahmet Kutucu sind wir jünger geworden. Auch Amine Harit, Hamza Mendyl, Alex Nübel und Weston McKennie sind noch jung. Wir wussten, dass sie und die ganze Mannschaft Zeit zum Entwickeln brauchen. Aber wir wussten nicht, dass es so schwierig werden würde. Doch wir jammern nicht, sondern nehmen die Situation an, wie sie ist - und werden sie auch gemeinsam meistern.

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