15.02.2019 12:35 Uhr

Warum der VfB Stuttgart so tief in der Krise steckt

Der VfB Stuttgart trifft am Samstag im Heimspiel auf RB Leipzig
Der VfB Stuttgart trifft am Samstag im Heimspiel auf RB Leipzig

Ein Satz hallt in Stuttgart wie ein nicht enden wollendes Echo nach: "Wenn ich unseren Kader sehe, ist klar: Der VfB Stuttgart wird mit dem Abstieg am Ende nichts zu tun haben." Allerdings stecken die Schwaben vor dem Duell gegen RB Leipzig am Samstag (15:30 Uhr) mittendrin im Kampf um den Ligaverbleib.

Passenderweise stammt das Zitat von Michael Reschke, mittlerweile im Ländle vor die Tür gesetzt und durch Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger ausgetauscht. Die Gründe für die Krise sind dabei vielschichtig. Ein Blick auf den Absturz des ambitionierten VfB.

  • Chaos beherrscht die Führungsebene

Zwei Trainer hat der VfB Stuttgart im Jahr 2018 vor die Tür gesetzt. Beide Male kam die Entscheidung überraschend, beide Male spielte Sportvorstand Michael Reschke eine zentrale Rolle.

Zunächst entließ er Hannes Wolf im Januar vergangenen Jahres. In Misskredit brachte sich der 61-jährige Kaderplaner vollends, nachdem er dessen Nachfolger Tayfun Korkut schon nach nur sieben Spielen in der neuen Saison das Vertrauen entzog - obgleich er ihm kurz zuvor noch öffentlich den Rücken gestärkt hatte.

Entsprechend hart fiel das Urteil vieler Beobachter aus. "So, wie das in Stuttgart passiert ist, ist das kein guter Stil. Ich finde das respektlos", kritisierte beispielsweise Ottmar Hitzfeld in aller Deutlichkeit. 

Es sollte nicht die einzige Kritik an Reschke bleiben. Auch Ehrenspielführer Guido Buchwald, damals noch in seiner Funktion als Mitglied des Aufsichtsrates, wetterte öffentlich gegen den Sportvorstand. Er plädiere im Klub für "eine breitere sportliche Kompetenz", es werde beim VfB zu viel "an einer Person festgemacht".

Buchwald musste sich nach diesen Aussagen entschuldigen, durfte letztlich im VfB-Gremium bleiben, um letztlich doch selbst zurückzutreten. Längst hat die Kritik aber auch VfB-Präsident Wolfgang Dietrich erreicht.

So forderten nicht zuletzt große Teile der Stuttgarter Fans mit Sprechchören und Bannern im Stadion den Rücktritt des 70-Jährigen. Dietrich ist nach der Ausgliederung der Profi-Abteilung aus dem Verein in eine Aktiengesellschaft in Ungnade gefallen. Auch die geringe sportliche Kompetenz im Aufsichtsrat, wo zeitweise "nur Sponsorenvertreter" säßen, wird heftig kritisiert.

Immerhin haben die Fans mit Thomas Hitzlsperger nun einen ehemaligen Nationalspieler für die Rolle des Sportvorstands bekommen. Die strukturellen Probleme im Klub löst dieser Wechsel alleine aber wohl kaum.

  • Transfers floppen, Eigengewächse werden kaum beachtet

Über Jahre hinweg hat den VfB Stuttgart ausgezeichnet, jungen Spielern aus den eigenen Reihen eine Chance zu geben. Spieler wie Sami Khedira, Antonio Rüdiger oder Timo Werner stammten einst aus der Jugend des VfB und konnten im Ländle reifen.

Diese Chance erhält derzeit nur Timo Baumgartl, der zusammen mit den Routiniers Daniel Didavi und Mario Gomez das einzige Eigengewächs im Kader ist.

Hinzu kommt, dass der Großteil der aktuellen Spieler nicht länger als drei Jahre im Verein ist. Anstatt auf schwäbische Beständigkeit zu setzen, wurde also in den letzten Jahren - auch bedingt durch Reschkes Einkaufspolitik - große Fluktuation betrieben.

Allein im Sommer wurde der Kader durch Investitionen in Höhe von insgesamt 35 Millionen Euro verstärkt. Die eingekauften Spieler, eine Mischung aus gestandenen Profis (zum Beispiel Gonzalo Castro) und jungen Talenten (Pablo Maffeo, Nicoláz González oder Borna Sosa), schlugen jedoch nicht ein.

Im Winter gab Reschke abermals viel Geld für einen jungen Spieler aus. Doch ob sich die elf Millionen Euro für den 18 Jahre alten Ozan Kabak schnell auszahlen, ist alles andere als sicher.

  • Weinzierl sucht nach der Handschrift

Ein Blick aufs Sportliche: Der im Oktober eingestellte Markus Weinzierl hat es noch immer nicht geschafft, dem Team die richtige Balance zu geben - auch auf taktischer Ebene.

Während er zu Beginn das eigene Spiel offensiv ausrichtete und es derbe Klatschen (Torverhältnis von 0:11 in den ersten drei Partien) hagelte, mühte sich der VfB danach mit defensiver Ausrichtung immerhin zu zwei Siegen gegen Nürnberg und Augsburg. 

Auch die jüngste Umstellung auf die Doppel-Sechs im Mittelfeld mit Kapitän Christian Gentner und Youngster Santiago Ascacíbar hat nicht gefruchtet. Eine eindeutige Handschrift hat Weinzierl der Mannschaft bislang nicht geben können.

  • Schwache Defensive, fehlende Tugenden

"Wir erwarten Kampf", stand unmissverständlich auf einem großen Banner der Fans beim letzten Heimspiel gegen den SC Freiburg (2:2). Gegen den direkten Konkurrenten aus dem Breisgau zeigte der VfB dann auch eine weitestgehend gute Reaktion auf die 1:4-Klatsche beim FC Bayern.

Eine Woche später bewies die Weinzierl-Elf in Düsseldorf (0:3) allerdings eindrucksvoll, dass sie noch immer nicht im Abstiegskampf angekommen ist. 

Auffällig dabei: Oft genug verschläft Stuttgart die Anfangsphase. Gegen Schalke (10. Minute), Mainz (22.), Bayern (5.), Freiburg (4.) und eben Düsseldorf (34.) hagelte es frühe Rückstände. Ohnehin stellen die Schwaben das Team mit der schwächsten Defensive (47 Gegentore) der laufenden Saison.

Auch in puncto Laufdistanz (Platz 16 der Liga), Sprints (15.), Zweikämpfe (12.) oder Passquote (11.) hat der VfB im ligainternen Team-Vergleich reichlich Aufholbedarf.

Stellt Weinzierl diese Defizite nicht schnellstmöglich ab, steht wohl der nächste Wechsel auf der Bank bevor.

Gerrit Kleiböhmer

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