26.09.2018 12:27 Uhr

Mit Geduld und Hoffnungsträger: So macht Favre den BVB fit

Lucien Favre hat klare Vorstellungen von seiner Spielweise beim BVB
Lucien Favre hat klare Vorstellungen von seiner Spielweise beim BVB

Die reinen Zahlen sehen für Fußball-Bundesligist Borussia Dortmund zum Saisonstart eigentlich gar nicht so schlecht aus: keine Pflichtspielniederlage, acht Punkte nach vier Spielen sowie ein Auftakterfolg in der Champions League. Wenn da nur nicht die mitunter dürftigen Leistungen wären, die bei den Fans schon jetzt schmerzhafte Erinnerungen an die letzte Saison hervorrufen. 

Rückblick: In der Vorsaison hatte Peter Stöger den BVB kurz vor der Winterpause übernommen und schaffte mit den Schwarz-Gelben gerade noch die Qualifikation für die Champions League. Von berauschendem Offensiv-Fußball, den man in Dortmund sehen möchte, war das Team meilenweit entfernt.

Nicht zuletzt deswegen holten die BVB-Offiziellen vor dieser Saison Wunschtrainer Lucien Favre ins Ruhrgebiet. Mit dem Schweizer Fußball-Fachmann sollten Spielkultur und modernes Offensivspiel in den Signal-Iduna-Park zurückkehren.

Doch danach suchen die Dortmunder derzeit allerdings noch vergebens: Das Spiel des BVB wirkt zu Saisonbeginn oft langsam, ideenlos und defensiv. Powerfußball, der die Massen begeistert, sieht anders aus. Fans der Borussia sind teilweise skeptisch, ob Favre das Team zurück zum BVB-Stil führen kann. Auch das Fanzine "schwatzgelb.de" konnte nach dem Saisonstart noch nicht abschätzen, "wie weit der BVB unter Lucien Favre ist". 

Watzke predigte schon früh Geduld

Doch wer sich heute an die Verpflichtung von Lucien Favre im Mai erinnert, dem wird deutlich, dass Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und Sportdirektor Michael Zorc mit solchen Startschwierigkeiten gerechnet haben.

"Ein Neustart braucht Zeit, Geduld und eine realistische Erwartungshaltung", warnte Watzke damals. "Die haben wir und einige Dinge werden einfach etwas dauern".

Deutlich wurde dies schon bei der Transferpolitik. Der angestrebte Kaderumbruch konnte nur in Teilen realisiert werden. Watzke machte früh deutlich, dass es wohl aufgrund des überhitzten Marktes nicht eine, sondern zwei Transferperioden dauern wird, bis der BVB seine Mannschaft gemäß der eigenen Vorstellungen umgebaut hat.

Alcácer wird zum Hoffnungsträger

Diese Situation wirkt sich letztlich direkt auf die Arbeit von Lucien Favre auf. So stieß der vom FC Barcelona ausgeliehene Stürmer Paco Alcácer erst Ende August zur Mannschaft und kam bisher nur auf einen Kurzeinsatz gegen Frankfurt. In dieser Partie zeigte der Spanier sofort mit zwei Torbeteiligungen, wie wichtig er für den BVB und Favre sein kann.

"Paco ist ein sehr intelligenter Spieler, er versteht das Spiel und mit ihm können wir kombinieren", weiß Favre um die Stärken des zuletzt angeschlagenen Angreifers. Durch die späte Verpflichtung musste sich der BVB-Coach in der Sturmspitze zunächst mit Notlösungen behelfen.

Auch wenn den gelernten Außenstürmern Maximilian Philipp und Marco Reus öffentlich die Rolle als Mittelstürmer zugetraut wurde, das Dortmunder Offensivspiel litt dadurch jedoch vor allem an mangelnder Durchschlagskraft.

Favres System noch nicht verinnerlicht

Favre ist das Problem in der Offensive nicht entgangen. "Wir müssen schneller spielen, mehr das Risiko nehmen, auch mal mit dem Ball gehen. Wir können nicht nur Pässe und noch mehr Pässe spielen", haderte der 60-Jährige zuletzt, wohl wissend dass seine Mannschaft dafür noch Zeit braucht.

Nach drei verschiedenen Trainern in den letzten zwei Jahren merkt man vielen BVB-Akteuren an, dass sie das neue System noch nicht hundertprozentig verinnerlicht haben. Der detailverliebte Schweizer verlangt den Spielern gedanklich und im taktischen Bereich enorm viel ab.

Oft überlegen die Schwarz-Gelben bei Laufwegen oder Pässen in die Spitze noch einen Moment zu lange, der gesamte Angriff gerät daraufhin ins Stocken. Favres Allheilmittel: "Wir müssen üben, üben, üben."

Favre-Fortschritte werden meist außer Acht gelassen

Auch er selbst befindet sich noch in einer Kennenlernphase mit seinem neuen Team. So probierte der Schweizer bisher in jedem Pflichtspiel eine unterschiedliche Aufstellung aus und ließ das Team abwechselnd im 4-3-3 und im 4-2-3-1 auflaufen. Unter Favre muss der BVB variabel sein, unterschiedliche Spieler sollen unterschiedliche Positionen ausfüllen können.

Dass bereits Schritte in die richtige Richtung gemacht wurden, wird teilweise aufgrund der mangelnden Offensivkraft außer Acht gelassen. Immerhin schaffte es Favre früh, die in der Vergangenheit wackelnde Defensive zu stabilisieren. In diesem Bereich hat er um Manuel Akanji und Abdou Diallo seine Stammformation bereits gefunden.

Auch die Moral stimmt beim Ruhrgebietsverein. Im Pokal in Fürth und im ersten Ligaspiel gegen Leipzig schlug der BVB nach Gegentreffern zurück. Am Wochenende in Hoffenheim erkämpften sich die Borussen sogar noch mit zehn Mann einen wichtigen Punkt. Diese mentale Stärke fehlte gerade in der letzten Saison.

Im Heimspiel gegen den 1.FC Nürnberg würden Favre und der BVB aber mit Sicherheit gerne auf einen Rückstand verzichten. Mit einem Sieg kann die Borussia auf den zweiten Tabellenrang vorrücken und dem FC Bayern auf die Pelle rücken. Gar nicht schlecht für einen Trainer in der Kennenlernphase.

Moritz Wollert

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