06.09.2018 12:57 Uhr

Neymar, Tite und Brasilien: 90 Minuten gegen die Kritik

Neymar und Tite sind mit Brasilien gegen die US-Auswahl gefordert
Neymar und Tite sind mit Brasilien gegen die US-Auswahl gefordert

Der Superstar und der Trainer bleiben nach Brasiliens zu frühem WM-Aus Protagonisten. Doch auf dem Weg nach Katar gibt es erst einmal Gegenwind.

Wer nach der Fallsucht bei der WM einen diskreten, vom Starwahn geläuterten Neymar in der Selecao erwartet hatte, wurde gleich eines Besseren belehrt. Als "Kanarienvogel" im grellgelben Trainingsanzug mit bunt personalisiertem Sportschuh, Modell Pop Art, stolzierte der 26-Jährige ins Luxus-Quartier der Brasilianer mit Blick auf die Skyline von Manhattan. Autogramme für die Fans, kein Wort an die Journalisten: Alles beim Alten.

Am Freitag kann der Stürmer von Paris St. Germain allerdings im MetLife Stadium vor den Toren New Yorks im Test gegen die US-Auswahl zumindest auf dem Platz unter Beweis stellen, dass er aus der enttäuschenden WM, die er nach seinen unerträglichen Schauspielereien unter weltweitem Hohn und Spott verließ, gereift ist.

Dass sein Führungsstatus in der Selecao auf dem Weg zur Copa America 2019 daheim trotz der Ausbootung bei der diesjährigen Kür des weltbesten Fußballers noch intakt ist. Dass er auch bei der WM 2022 in Katar die Galionsfigur des fünfmaligen Weltmeisters sein will, selbst wenn ihm bei PSG Frankreichs Jungstar Kylian Mbappé vorerst den Rang abgelaufen hat.

WM-Ursachenforschung: "Es fehlte plötzlich der Glaube"

Gegen die US-Boys und vier Tage später in Washington gegen El Salvador steht auch Nationaltrainer Tite vor dem gleichen Dilemma: Trotz Protagonisten-Rolle, erstmals nicht die volle Akzeptanz zu haben. Nicht nur seine Landsleute warteten in Russland vergeblich auf seinen öffentlichen Rüffel gegen Neymar und dessen Mätzchen.

Das Festhalten an Mittelstürmer Gabriel Jesus, der bei einer Endrunde als erster "Neuner" Brasiliens seit der WM 1974 nicht traf und als verspätete Konsequenz nun auf der US-Tour fehlt. Die Nicht-Streichung von Fred, der als Allzweck-Waffe im Mittelfeld vorgesehen nach einer im Trainingslager erlittenen Verletzung erst gar nicht zum Einsatz kam. Die zu langsame Reaktion auf Belgiens taktische Winkelzüge beim WM-Aus im Viertelfinale (1:2).

All dies weckte Zweifel am Heilsbringer, der Brasilien nach seinem Amtsantritt Mitte 2016 von Platz sechs der Eliminatorias am Ende souverän nach Russland führte. "Das Team war gut drauf, aber irgendwann während der WM hat sich das Ding gedreht. Es fehlte plötzlich der Glaube", gestand der 57-Jährige, der als erster Selecao-Coach nach Claudio Coutinho 1978 nach einer Weltmeisterschaft weitermachen kann.

Talentschuppen ist unerschöpflich

Sein neues Ziel heißt nun: "Wir müssen wieder gut spielen, damit die Leute erkennen, dass wir die Dinge unter verschiedenen Aspekten richtig angegangen sind." Dabei kommt es auch auf die perfekte Dosierung bei der "Blutauffrischung" an.

Die Namen der Zukunft heißen: Arthur (22), für den der FC Barcelona 31 Millionen Euro hinblätterte. Oder Lucas Paqueta (21), nächstes Juwel, das nach Europa blickt. Auf Tites Anruf warteten diesmal noch vergeblich: Vinicius Junior (18), zur neuen Saison für 45 Millionen Euro von Real Madrid verpflichtet. Oder Leverkusens 18,5-Millionen-Neuzugang Paulinho (18).

Der Talentschuppen ist unerschöpflich. Und wird diesmal um einen Exoten erweitert. Erstmals seit 100 Jahren ist wieder ein Spieler im Aufgebot, der nicht in Brasilien geboren wurde. Andreas Pereira von Manchester United kam vor 22 Jahren im belgischen Duffel zur Welt, weil sein Vater damals beim KV Mechelen spielte.

Doch am Freitag erhalten noch die WM-Fahrer den Vortritt geben. "Wir wollen Körper, Form und Idee gewinnen", versprach Innenverteidiger Marquinhos. Mit Neymar und Tite als Protagonisten.

Online-Wettanbieter: bet365 | Interwetten | sportingbet | Tipico Sportwetten