20.04.2018 16:22 Uhr

Kovac beim FCB: Mehr Risiken als Chancen

Niko Kovac wird im Sommer neuer Trainer des FC Bayern München
Niko Kovac wird im Sommer neuer Trainer des FC Bayern München

Im Sommer übernimmt Niko Kovac das Ruder beim FC Bayern München und tritt in die riesigen Fußstapfen von Jupp Heynckes. Kein leichtes Erbe für einen auf Topniveau unerfahrenen Trainer, der keinesfalls die Wunschlösung seines neuen Klubs war. Die Liaison birgt mehr Risiken als Chancen – für beide Seiten.

Seine Trainerfähigkeiten hat Niko Kovac unlängst unter Beweis gestellt. Innerhalb von zwei Jahren führte er die Frankfurter Eintracht aus dem Tabellenkeller in internationale Regionen sowie jüngst zum zweiten Mal in Folge ins DFB-Pokalfinale.

Kovac kann also Trainer, aber kann er auch Bayern? Bis auf den ewigen Jupp Heynckes hat es seit Ottmar Hitzfeld schließlich niemand mehr so richtig beim Rekordmeister zur Glückseligkeit geschafft. Trainer von Weltformat wie Louis van Gaal, Pep Guardiola und Carlo Ancelotti sind am ewigen Triple-Traum gescheitert.

Nun kommt einer an die Säbener Straße, der Gerüchten zufolge nicht erste Wahl auf den vakanten Posten an der Münchner Seitenlinie war. Was hat den gebürtigen Berliner in den Augen von Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge qualifiziert für den anspruchsvollsten Trainerjob im Land?

Keine Erfahrung in der Champions League

Das gern beschworene "Bayern-Gen" mag der neue Coach mitbringen, auch wenn seine beiden Jahre als Spieler des FCB trotz des Double-Gewinns 2003 eher bescheiden verliefen.

Über internationale Erfahrung verfügt Kovac aber kaum. Als Co-Trainer stand der 46-Jährige bei RB Salzburg in der Europa League an der Linie. Von 2013 bis 2015 war er für die kroatische Nationalmannschaft verantwortlich.

Mit dem, was ihn beim deutschen Rekordmeister erwartet, hat das allerdings wenig zu tun. Ein komplettes Fußballjahr im Drei-Tage-Rhythmus ist für Niko Kovac neu. Und darauf wird sich der Kroate schleunigst einstellen müssen.

Das gilt ebenso für sein Trainingskonzept. Der frühere Defensivstratege ist bekannt für besonders intensive Übungseinheiten und scheucht seine Truppe gerne mal zwei Stunden und länger über den Platz.

Kann Kovac das Star-Ensemble dirigieren?

Fraglich ist auch, wie die Spieler auf Kovac reagieren. Wenn eine Ansammlung von Weltstars, die selten ohne Starallüren auskommen, aufmüpfig wird, kann es schnell ungemütlich werden. Das musste zuletzt selbst der mit drei Champions-League-Titeln dekorierte Star-Coach Carlo Ancelotti am eigenen Leib erfahren.

Kovacs Vorteil gegenüber Ancelotti ist, dass die "gute Kommunikation mit den Spielern", die Jupp Heynckes seinem Nachfolger attestierte, zu den Stärken des kommenden Bayern-Trainers gehört.

"Er weiß ganz genau, wie er uns handhaben muss. Er weiß, wann er draufhauen muss, wann er uns streicheln muss. Das macht er überragend", schwärmte Frankfurts Kevin-Prince Boateng gegenüber "HR". Mit extrovertierten Typen kann Kovac also.

Stilwechsel gefragt

In seiner Anfangszeit in Frankfurt setzte er vor allem auf eine massive Abwehr und leidenschaftlichen Einsatz. "Ich mache aus meinen Spielern Krieger", sagte der 46-Jährige einst. Beim FCB sind allerdings eher Zauberer gefragt.

Das Münchner Spiel braucht Lösungen, um eben ebensolche Bollwerke zu knacken, wie Kovac sie in Frankfurt zuweilen errichtet hat. Und diese Lösungen sollen auch noch hübsch anzusehen sein und für gute Unterhaltung beim verwöhnten Münchner Publikum sorgen. Als Entertainer hat sich Kovac in seiner Trainerlaufbahn bisher allerdings nicht gerade hervorgetan.

Win-Win oder Lose-Lose

Wenn Niko Kovac die Umstellungen meistert, kann aus der Notlösung durchaus eine Erfolgsgeschichte werden, an der beide Seiten ihre Freude haben. Scheitert das Projekt aber, stehen auch gleichsam beide Seiten vor einem Scherbenhaufen.

Dem FCB könnte ein ähnliches Szenario wie einst bei Jürgen Klinsmann drohen. Der ehemalige Bundestrainer kam 2008 ebenfalls ohne Erfahrung bei einem Topklub und mit einer neuen Philosophie nach München und ist bis heute der letzte Coach, der nicht mal eine ganze Saison bei den Bayern bleiben durfte.

Auch Niko Kovac würde im Falle eines Scheiterns nicht gut dastehen. Der unrühmliche Abgang bei der Eintracht trotz sportlichen Erfolgs und laufenden Vertrags hat bundesweit für negative Schlagzeilen gesorgt.

So sind schon vor Beginn der Liaison beide Seiten zum absoluten Erfolg verdammt.

Lennart Wegner

Online-Wettanbieter: bet365 | Interwetten | sportingbet | Tipico Sportwetten