19.04.2018 14:41 Uhr

Tuchel bei PSG: Früher Ärger in der Stadt der Liebe

Thomas Tuchel wird neuer Trainer bei Paris Saint-Germain
Thomas Tuchel wird neuer Trainer bei Paris Saint-Germain

An Thomas Tuchel scheiden sich in Frankreich bereits vor der offiziellen Vorstellung bei Paris Saint-Germain die Geister. Beim frischgebackenen Meister wartet eine echte Mammutaufgabe auf Tuchel - auch wegen des Wirbels um seine eigene Person.

In der Fußballwelt ist die fachliche Kompetenz von Thomas Tuchel weitgehend unumstritten. Als "Meister des Spiels" adelte die französische Sportzeitung "L'Équipe" den früheren Trainer von Borussia Dortmund unlängst. Der BVB habe unter Tuchel einen "überragenden Fußball" gespielt, lobte Bayern Münchens Erfolgstrainer Jupp Heynckes.

Tuchel gilt als einer der aufstrebenden jungen Fußball-Köpfe Europas. Gerade deshalb wird Paris Saint-Germain den 44-Jährigen mit der Nachfolge von Unai Emery betrauen.

Übereinstimmenden Medienberichten zufolge ist der Vertrag bereits unterschrieben. Irgendwann nach dem Pokalfinale am 8. Mai gegen den Drittligisten Les Herbiers dürfte die Vollzugsmeldung kommen.

Doch in Paris wird es für Tuchel auf weit mehr ankommen, als auf taktische Finesse und moderne Trainingslehre. "Man wird sehen, wie er die Kabine managt. Das ist das Schwierigste bei den großen Mannschaften", warnte Pierre-Emerick Aubameyang, der beim BVB zwei Jahre unter Tuchel spielte.

Will Neymar wegen Tuchel weg?

Bei PSG erwartet den Coach ein Kader gespickt mit überragenden Individualisten und hochbezahlten Ich-AGs. Viele kritische Stimmen in Bezug auf die Trainer-Verpflichtung sind bereits jetzt zu vernehmen.

Superstar Neymar soll Gerüchten zufolge sogar dermaßen unzufrieden mit der Einstellung Tuchels sein, dass er im Sommer seinen Wechsel zu Real Madrid forcieren will.

Auch andere Spieler überschlugen sich noch nicht mit Lobeshymnen. "Tuchel? Ich kenne ihn überhaupt nicht", sagte Mittelfeldspieler Marco Verratti. "Ich habe nur gelesen, dass er ein guter Trainer sein soll." Kapitän Thiago Silva sprach sich für den Verbleib von Emery aus.

Einige ehemalige PSG-Profis meldeten sich ebenfalls zu Wort, unisono schlug dem neuen Mann an der Seitenlinie dabei Skepsis entgegen.

Tuchel muss bei PSG sofort liefern

Tuchel muss schnellstmöglich einen Draht zur Mannschaft herstellen, Vertrauen gewinnen, die Individualisten zu einer Einheit zu formen. Und das Umfeld auf seine Seite ziehen. In der Vergangenheit vermisste man bei PSG oft ein echtes Wir-Gefühl.

Wie groß bei dieser Aufgabe die Rückendeckung der Führungsetage ist, bleibt abzuwarten. Medienberichten zufolge überging Qatar Sports Investment, Mehrheitseigner bei den Parisern, Sportdirektor Antero Henrique bei der Abwicklung des Deals. Der Portugiese favorisierte offenbar seinen Landsmann Sérgio Conceicao vom FC Porto.

Auch Klub-Chef Nasser Al-Khelaifi soll kein großer Tuchel-Fan sein, sich stattdessen dem Willen des Emirs von Katar gebeugt haben.

Alles keine guten Vorzeichen für den als eigenwillig geltenden Tuchel, der mit seinen Arbeitgebern in Mainz und Dortmund im Streit auseinander ging. Auch wenn nur ein Teil der Gerüchte wahr ist, für medialen Zündstoff ist gesorgt. Es wird auf viel zwischenmenschliches Fingerspitzengefühl ankommen.

Sportlich muss Tuchel von Beginn an liefern, vor allem international. "Jeder weiß, unser großer Ziel ist es, die Champions League zu gewinnen", erklärte Al-Khelaifi, nachdem PSG am vergangenen Wochenende vorzeitig den Titel in der Ligue 1 perfekt machte. Seit die Kataris bei PSG eingestiegen sind, ging es in der Königsklasse nie über das Viertelfinale hinaus.

Zahlreiche personelle Fragezeichen für Tuchel

Von Tuchel versprechen sich die Scheichs, mit dieser traurigen Tradition zu brechen. Seine auf Ballbesitz und aggressivem Offensivfußball basierende Spielidee passt auf den ersten Blick gut zum topbesetzten PSG-Kader.

Doch auch personell ist nicht alles Gold, was glänzt. Ob es das Weltklasse-Sturmtrio Neymar, Edinson Cavani und Kylian Mbappé in der nächsten Saison noch gibt, steht in den Sternen. Neben Neymar soll auch Cavani über einen Wechsel nachdenken.

Neuverpflichtungen könnten für PSG aufgrund von möglichen Verstößen gegen das Financial Fair Play schwierig werden. Dabei bräuchte Tuchel im Mittelfeld ein oder zwei ballbesitzstarke Akteure für sein System. Im Vergleich zur Luxusbesetzung in der Offensive ist das Spielermaterial in der Defensive zudem nicht über jeden Zweifel erhaben.

Es gibt also genug Baustellen für Thomas Tuchel, denen er sich früher oder später widmen muss. Die Planungen dürften hinter den Kulissen längst laufen, sodass Tuchel nach der Bekanntgabe seiner Inthronisierung direkt mit der Arbeit anfangen kann.

Dann muss er der Fußball-Welt beweisen, dass er wirklich der "Meister des Spiels" ist.

Moritz Wollert

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