24.03.2018 11:38 Uhr

Löw lobt DFB-Elf, Boateng motzt

Jérôme Boateng gab den Mahner
Jérôme Boateng gab den Mahner

Joachim Löw dozierte geduldig über seine "sehr, sehr wichtigen Erkenntnisse" und war offenkundig vollkommen zufrieden. Doch nach dem phasenweise frustrierenden WM-Härtetest gegen die brillante spanische Passmaschine kamen die größten Kritiker aus den eigenen Reihen.

"Alles" sei anfangs schlecht gewesen, motzte Jérôme Boateng, "das Pressing hat nicht geklappt, so eine Mannschaft spielt dann mit dir Katz und Maus."

Das war nur der erste Punkt seiner langen Liste der weltmeisterlichen Unzulänglichkeiten. "Wir wollten besser hinten rausspielen, eine bessere Aufteilung hinbekommen", sagte Boateng nach dem hochklassigen 1:1 (1:1) in Düsseldorf, er zählte außerdem auf: "Chancenverwertung, Passspiel, nicht so schnell den Ball zu verlieren. Auch das Umschalten muss besser werden. Wir kriegen drei oder vier Konter, das geht nicht."

Immerhin: Es sei dann doch "nicht alles schlecht, aber man sieht, dass noch viel Arbeit ist. Wir müssen zusammen als Mannschaft auftreten."

Kroos bringt es auf den Punkt

In der Tat war die deutsche Mannschaft, wie der Spanien-Kenner Toni Kroos fachmännisch urteilte, "in den ersten 20 Minuten nur hinterhergelaufen". Spanien zauberte ein vorzügliches Tiki-Taka auf den Platz, das dem Weltmeister den Kopf verdrehte - spielerisch lösten sich Andres Iniesta und seine Teamkollegen aus dem nachlässigen deutschen Pressing. Mats Hummels sprach ehrfürchtig vom "besten Herausspielen, das ich je gesehen habe".

Löw jedoch zwinkerte gelassen: Genau das habe er ja testen wollen, und er hatte durchaus geahnt, dass er seine Spieler mit stumpfer Klinge in den Kampf schickt. "Wir wollten den einen oder anderen Fehler aufgezeigt bekommen, das ist okay", erklärte er. "Das Risiko war es uns wert, auch wenn wir es nicht immer geschafft haben, sie vorne unter Druck zu setzen. Normalerweise mache ich das nicht ohne einige Trainingseinheiten vorher."

Löw schwärmte vom "hervorragenden Test" zweier Gegner, die sich auf Augenhöhe duellierten - beziehungsweise: Erst schauten die Deutschen zu den Spaniern auf, später war es manchmal umgekehrt. "Jeder Fan sollte die Sinnlichkeit dieses Spiels spüren. Dann riss Deutschland es an sich, aber nicht mit dem Ruck eines Panzers", kommentierte die Zeitung "ABC": "Deutschland hat Spaniens Stil gestohlen."

Die 50.653 Zuschauer in der ausverkauften Arena von Fortuna Düsseldorf waren verzückt, sicher, zwei Top-Anwärter auf den Weltmeistertitel gesehen zu haben. "Das sind die Mannschaften, die bei der WM eine entscheidende Rolle spielen wollen - und auch können", sagte Löw, er nannte in diesem Zusammenhang auch Frankreich, Argentinien und Brasilien, den Gegner am Dienstag (20:45 Uhr) in Berlin.

Löw will gegen Brasilien umstellen

Bis zu diesem letzten Check vor der vorläufigen Kadernominierung will der Bundestrainer "alles zusammenfassen, woran wir arbeiten müssen". Am Freitag schickte er seine Top-Elf auf den Rasen, nun wird es zahlreiche Umstellungen geben. Thomas Müller, der nach dem frühen Gegentor durch Rodrigo (6.) mit einem Traumtor ausgeglichen hatte (35.), reiste wie Mesut Özil in der Nacht nicht mehr mit nach Berlin. Die beiden Weltmeister sind ohnehin unverzichtbar, sie erhalten eine Pause.

Löw wird fürderhin Marvin Plattenhardt, Ilkay Gündogan und Leroy Sané von Beginn an testen, der angeschlagene Sami Khedira (leichte Rückenbeschwerden), Jonas Hector und Julian Draxler müssen weichen. Sebastian Rudy ist inzwischen Vater geworden, er wird wohl nachkommen.

In Berlin bekommen die deutschen Spieler auch Gelegenheit, diese "großartige, schwindelerregende Fußball-Nacht" (El Mundo) sacken zu lassen. Löw gab den Samstagnachmittag frei.

Gegen Brasilien dann kann die DFB-Auswahl den Rekord von 23 Spielen in Serie ohne Niederlage einstellen - nach drei Unentschieden gegen die Spitzenteams England (0:0), Frankreich (2:2) und Spanien (1:1) wäre ein Sieg wünschenswert. Oder auch nicht. "Bei der WM müssen wir diese Spiele halt im Elfmeterschießen entscheiden", sagte Timo Werner.

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