Das Comeback von Fußball-Nationaltorwart Manuel Neuer verschiebt sich immer weiter nach hinten. Wann der Schlussmann des Bundesligisten FC Bayern München wieder ein Pflichtspiel bestreiten kann, ist völlig unklar. Für Ex-Welttorhüter Oliver Kahn könnte sogar Neuers WM-Teilnahme in Gefahr geraten.

"Es ist im Moment eine prekäre Situation", sagte Kahn im Interview mit "Sport 1". Der ehemalige Bayern-Keeper erklärte zwar, dass Neuer im Vorfeld der letzten Europameisterschaft auch verletzt war und dennoch ein starkes Turnier spielte.

"Diesmal ist es allerdings ein bisschen anders", betonte Kahn und ergänzte: "Erstens ist er zwei Jahre älter geworden und zweitens braucht er diesmal auch Vertrauen, ob der Fuß wirklich hält. Ich glaube schon, dass er eine gewisse Zeit an Vorlauf benötigt." Daher hofft der Vize-Weltmeister von 2002, dass Neuer noch "das ein oder andere Spiel" in der aktuellen Bundesligasaison macht.

Sollte Neuer das Turnier in Russland tatsächlich verpassen, macht sich Kahn allerdings überhaupt keine Sorgen. "Marc-André ter Stegen kann jederzeit eine WM spielen. Er hat den nötigen Background, den man für die Nummer eins in der Nationalmannschaft braucht", lobte der heutige TV-Experte die aktuelle Nummer zwei im DFB-Team.

Das hat Neuer ter Stegen voraus

Ter Stegen habe sich vor allem beim FC Barcelona weiterentwickelt: "Er war schon immer ein guter Fußballer, aber jetzt hat er ein unglaublich hohes Niveau - das alles unter extremem Druck von außen." Außerdem habe der Barca-Torwart durch die Einsätze beim Confed Cup Stabilität und Selbstvertrauen gewonnen. "Ich hätte keine Bedenken, wenn er die WM spielen sollte", stellte Kahn klar.

Dennoch machte der ehemalige Nationaltorwart deutlich, dass Neuer die klare Nummer eins im Team von Joachim Löw sei. "Natürlich ist Manuel Neuer der Welttorwart seit vielen Jahren. Und er ist der Weltmeister. Das ist etwas anderes, wenn so ein Mann auf dem Platz steht - allein für den Gegner. Das muss sich Marc-André noch erarbeiten, das hat ihm Manuel Neuer noch voraus."

Kahn vermisst deutschen Donnarumma

Sorgen macht sich Kahn dagegen beim deutschen Torwart-Nachwuchs. "Die Nummer drei sollte für mich eigentlich immer ein ganz junger Spieler sein. Einer, dem man zutraut, vielleicht in einigen Jahren mal die Nummer eins zu werden. Einer, den man dazuholt und ihn Stück für Stück heranführt. Meine Frage ist: Wo ist der denn?", sagte Kahn. Einen nächsten "20-jährigen Donnarumma in Deutschland" sehe er im Moment "weit und breit nicht".

Aktuell streiten sich Kevin Trapp und Bernd Leno um die Platz des dritten Torwarts. Richtig überzeugen kann Kahn allerdings keiner von beiden: "Kevin Trapp hat gegen Frankreich ein sehr gutes Länderspiel gemacht. Aber bei Paris spielt er nicht. Und Jogi Löw möchte einfach, dass die Spieler regelmäßig zum Einsatz kommen. Bernd Leno ist mal super gut, dann wieder nicht. Er ist ein Licht-und-Schatten-Torwart."

Dass Löw Sven Ulreich bei seiner Nominierung beachten wird, glaubt Kahn nicht. "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Jogi Löw meistens Leute mitgenommen hat, die schon das eine oder andere Länderspiel gemacht haben und die auch schon im Kader gewesen sind", erklärte der 43-Jährige: "Das wäre auch ein Schlag ins Gesicht für diejenigen, die jetzt immer bei der Nationalmannschaft dabei waren."