21.03.2017 13:31 Uhr

MLS-Ass Büscher: "Take it or leave it"

Julian Büscher spielt bei D.C. United in der MLS
Julian Büscher spielt bei D.C. United in der MLS

Julian Büscher wurde fußballerisch in Deutschland ausgebildet, gab sein Profi-Debüt für den SC Preußen Münster, entschied sich dann aber für den Gang nach Amerika. Nun spielt er mit Schweinsteiger und Co. in den USA.

Im Gespräch mit sport.de berichtet der 23-Jährige vom Alltag in der Major League Soccer, erklärt, welchen Stellenwert der College-Fußball hat und wie es sich anfühlt, gegen große europäische Stars zu spielen. 

Herr Büscher, mit welchem deutschen Verein wäre D.C. United vergleichbar?

Julian Büscher: Es ist immer schwer, D.C. United mit einem anderen Verein zu vergleichen. Aber man kann festhalten: D.C. United ist ein Arbeiterverein. Er ist nicht der allerschönste Verein, das heißt er ist kein LA Galaxy oder ähnliches. Wenn man einen Vergleich ziehen möchte, würde wohl ein ein mittelständiger Verein aus der 1. oder 2. Bundesliga passen. Der VfL Bochum wäre wahrscheinlich ein gutes Beispiel.

Im letzten Jahr hatten Sie bis Ende August immer wieder Kurzeinsätze, manchmal waren Sie nicht im Kader oder blieben ohne Einsatz. Zum Schluss hin haben Sie aber acht Spiele in Folge absolviert, immer gespielt und eine gute Serie hingelegt. Wie schätzen Sie selbst Ihr Standing ein? Haben Sie sich Ihre erste Saison so vorgestellt?

Ich war recht zufrieden mit der letzten Saison, habe am Ende noch relativ viele Einsätze gehabt und bin auf 21 Spiele gekommen, womit ich zufrieden war. Ich hoffe, dass ich das jetzt ausbauen kann und dass es mehr wird in der neuen Saison. Das erste Spiel habe ich von Beginn an gespielt, das zweite Spiel nicht. Da war es fast ungewohnt, nicht zu spielen. Das heißt, jetzt muss ich mich wieder reinarbeiten und dann gucken, wie es läuft. Aber natürlich erhoffe ich mir für die laufende Saison noch einmal eine Steigerung.

In der Liga ist Ihr Verein in der letzten Saison Vierter geworden, Sie sind relativ heimstark! Woher kommt diese Stärke?

Ich denke, da die Anreise in der MLS noch einmal ein größerer Faktor ist als in Deutschland, ist Heimstärke noch häufiger zu beobachten. So eine Flug von Seattle kann zum Beispiel gut und gerne fünfeinhalb Stunden dauern, und das laugt schon ein wenig aus.

Stars wie David Villa, Andrea Pirlo, Kaká, Jermaine Jones (früher auch Didier Drogba oder Frank Lampard, Steven Gerrard) haben in der MLS gespielt oder spielen noch dort. Welche Berührungspunkte gibt es? Wie ist gegen solche Profis auf dem Feld zu stehen?

Natürlich ist es eine riesen Ehre gegen solche Spieler zu spielen, die man ansonsten nur im Fernsehen in der Champions League gesehen hat. Deswegen macht das schon viel Spaß und es ist einfach noch einmal ein anderer Anreiz. Aber im Endeffekt sind es dann auch nur normale Gegenspieler, auch wenn einige sicherlich den Unterschied machen können. Diese Spieler muss man dann noch etwas anders angehen, wie beispielsweise David Villa gegen uns am zweiten Spieltag. Aber die sind im Grunde nicht anders. Man geht also genauso ins Spiel gegen solche Stars wie gegen andere Spieler, sonst ziehen sie dir sowieso die Hosen aus.

Wie sieht der Profi-Alltag in der MLS aus?

Im Alltag gibt es im Vergleich zum deutschen Fußball keinen großen Unterschied. Wir trainieren einmal am Tag, manchmal auch zwei Mal. So war es zum Beispiel bei den Preußen auch. Die Anreise zu den Spielen ist jedoch ein bisschen früher, weil die Wege länger sind, aber ansonsten besteht kein Unterschied im Trainingsablauf.

Vor Beginn der letzten Saison wurden Sie gefragt, ob Sie sich vorstellen können, sich einbürgern zu lassen? Wie weit ist es mit dieser Idee gekommen? Gibt es langfristig immer noch Pläne?

Das kann ich noch nicht abschließend sagen. Stand heute werde ich wohl die Greencard bekommen. Ich befinde mich gerade in dem Prozess dazu. Damit könnte ich dann zehn Jahre lang ohne Probleme einreisen. Wenn ich die Greencard dann habe, werde ich weitersehen. Ich hätte jedenfalls nichts dagegen, noch ein paar Jahre hier zu bleiben. Meine kompletten Zwanziger sind sowieso für den Fußball in Amerika verplant. Die nächsten drei bis vier Jahre wird sich also nichts verändern. Danach schaue ich, wo es hingeht. Aber ich baue hier viel auf, daher bestehen die Chancen auf jeden Fall, dass die USA dauerhaft meine Heimat werden.

Sie scheinen keinen Berater zu haben: Braucht man den aufgrund des Systems in der MLS nicht?

Doch, doch, ich habe einen Berater. Aber der ist dann wohl nicht gelistet. Ich habe auf jeden Fall jemanden, der mich berät. Er bekommt dafür im Jahr einen prozentualen Anteil, fünf Prozent, das ist in etwa hier die Regel. Der Berater ist wichtig für mich, weil ich wenig Ahnung von dem System habe und es viele Regeln gibt, die es in Deutschland nicht gibt.

Einige Spieler haben vor einem Wechsel in die Major League Soccer Angst, weil sie Sorgen haben, dass sie sich damit in den USA festspielen: Wie sehen Sie das?

Es ist durchaus möglich, sich in Amerika "festzuspielen". Es kommt immer darauf an, was für einen Vertrag man hat. Wenn man von außerhalb kommt, ist es immer etwas leichter, als wenn man vom College kommt, denn da ist es meistens ein "Take it or leave it": Man nimmt den angebotenen Vertrag also an oder nicht. So war es bei mir. Aber wenn man aus dem Ausland kommt und einen großen Namen hat, gibt es keine Probleme damit.

Aufstockung, neue Teams, Expansion, in der MLS passiert einiges: Wie sehr merkt man das? Haben Sie Lust auf eine der stärksten Ligen der Welt bis 2020?

Mehr Teams heißt ja erstmal auch mehr Arbeitsplätze. Und das ist ja nichts Schlechtes. Da freue ich mich drüber. Ob die MLS 2020 eine der besten Ligen der Welt sein wird, daran zweifle ich noch. Das glaube ich eher weniger, auch wenn es sicher schön wäre. Und wenn man dann immer noch hier ist, wäre es natürlich umso besser.
Auf mehr Mannschaften freue ich mich auf jeden Fall sehr. Dann gibt es mehr Plätze und Städte, die ich mir angucken kann, das ist sehr schön.

Beschreiben Sie mal die Fankultur im Vergleich zu Europa! Die Seattle Sounders sollen ja sehr europäisch und laut sein, ist da was dran?

Fußball ist hier von Stadt zu Stadt unterschiedlich, das kann man auf jeden Fall beobachten. Washington ist keine Fußballstadt, Seattle ist eine, Atlanta und Kansas auch. Da merkt man sofort, dass die Kultur eine andere ist. Die Leuten erkennen einen zum Beispiel auf den Straßen, in D.C. ist das etwas anders.

Die Liga ist zwar in zwei Conferences eingeteilt, aber die Reisestrapazen dürften trotzdem heftig sein. Wie geht man als Profi damit um?

Weil es jede zweite Woche ist, gewöhnt man sich ganz schnell ans Fliegen. Deswegen kann man damit auch ganz gut umgehen. Es ist auf jeden Fall deutlich angenehmer, als mit dem Bus herumzufahren.

Sie spielen zurzeit noch in einem Stadion, das eine Multifunktionsarena ist. Die neue Arena kommt erst im nächsten Jahr. Was erwarten Sie sich vom neuen Stadion?

Vom neuen Stadion erhofft sich jeder hier recht viel. Gerade deswegen, weil die Euphorie momentan noch eher mittelmäßig ist. So langsam steigt sie aber an und man bekommt das Fieber für das neue Stadion mit. Und natürlich ist ein reines Fußballstadion schon noch einmal etwas anderes. Der Ticketverkauf dafür ist schon angerollt und soll ganz gut laufen. Ich bin gespannt, was kommt.

Es gibt ja eine Rivalität mit den New York Red Bulls: wie wirkt sich diese aus? Ist sie vergleichbar mit Schalke und dem BVB?

Ich kann mich erinnern, dass die die Fans von Dortmund und Schalke auch mal zu den Spielen der Nachwuchsteams kommen: So ist das hier nicht. Ansonsten besteht aber schon eine Rivalität zwischen den Vereinen. Ich selbst wachse ja gerade erst rein, für mich ist das noch nicht so groß, aber für unseren Trainer ist das zum Beispiel riesig, für ihn sind diese Spiele das Größte. Deshalb ist da am Ende sicherlich eine Ähnlichkeit zu erkennen.

Sie besitzen einen "Generation Adidas"-Vertrag: Welche Vorteile hat diese besondere Art von Kontrakt?

Die "Adidas"-Verträge bedeuten, dass sich das Unternehmen das Recht herausgenommen hat, Leute früher aus der Uni herauszuholen, wenn es glaubt, dass diese Spieler eine Perspektive haben. Es wird dann trotzdem weiter dafür gesorgt, dass diese Jungprofis ihre Schule beenden, alles wird bezahlt. Außerdem ist man von Adidas gesponsert. Gut ist auch, dass man für zwei Jahre nicht als ausländischer Spieler zählt, denn jede Mannschaft darf nur sieben ausländische Spieler haben. Dadurch hat man einen gesicherteren Arbeitsplatz. Deshalb habe ich auch die Greencard beantragt, damit ich komplett als Amerikaner zählen würde in den nächsten zehn Jahren.

Zwei Jahre haben Sie College-Fußball gespielt. Wie war das? Wie ist der Konkurrenzkampf an den Unis?

Die Unis sind recht stark im Konkurrenzkampf. Man trainiert wirklich unter professionellen Bedingungen, auf deutlich besseren Plätzen als bei den Preußen oder bei Lotte. Und wahrscheinlich sogar besser als bei D.C. United, weil die Uni mehr Geld hat durch ihre ganzen Sportarten. Bei Basketball und Football gucken ja Millionen zu, wir hatten beispielsweise immer 40.000 Zuschaer im Stadion beim Basketball, das macht schon etwas aus. Die Gelder kommen also rein und da die Uni ja keinen Spieler bezahlen muss, konnte das Geld investiert werden und wir hatten schon sehr professionelle Anlagen. Deshalb habe ich es auch wirklich genossen, zum College zu gehen und zwei Mal am Tag zu trainieren und in der Zwischenzeiten mit den Freunden zur Uni zu gehen. Das war schon eine super Zeit.

Wie sieht Ihre weitere Karriereplanung aus? Können Sie sich auch eine Rückkehr nach Deutschland vorstellen? Falls ja: In welche Liga soll es mindestens gehen? In die 2. Bundesliga?

Richtig. Die zweite Liga wäre in etwa das Ziel, wenn ich wieder nach Deutschland kommen würde. Ich möchte aber erst einmal meine Uni fertig bekommen, das steht im Vordergrund – ich denke, das dauert noch ungefähr zwei Jahre – und dann gucke ich ganz entspannt weiter. Vorher mache ich mich nicht verrückt, gehe Schritt für Schritt und gucke, was Sinn ergibt.

Mal rein hypothetisch: Was würden Sie bei einer Rückkehr nach Europa alles vom MLS-Fußball vermissen?

Ich glaube, der Fußball hier hat gar nicht so viele Unterschiede. Ich meine, das Spiel dauert immer noch 90 Minuten und der Ball ist rund. Wahrscheinlich vermisst man dann in Deutschland die Aufmerksamkeit, aber wenn es allein um Fußball geht, würde ich wahrscheinlich nicht so viel vermissen: Das Training ist gleich, das Spiel ist eventuell ein bisschen schneller. Aber es gibt auch viele Mannschaften in Europa, die ähnlich spielen. Es gibt andere Dinge die ich vermissen würde: Das Leben hier, andere Sportarten zu gucken, die in Deutschland weniger Beachtung finden. All das genieße ich sehr.

D.C. United hat ja genauso einen Adler als Maskottchen, wie einer Ihrer Ex-Vereine, der SC Preußen Münster. Können Sie sich eine Rückkehr nach Münster vorstellen? Zum ehemaligen Kapitän, Amaury Bischoff, der jetzt allerdings den Verein verlassen hat, sollen Sie ja weiterhin Kontakt haben...

Auch wenn unser Maskottchen ebenfalls ein Adler ist und ich darüber auch etwas schmunzeln musste, denke ich nicht darüber nach, zu den Preußen zurückzukehren. Klar ist das ein schöner Verein und es hat Spaß gemacht, dort zu spielen. Aber allein schon, weil es vom Geld her etwas anderes ist, ist das in weite Ferne gerückt. In den fünf Jahren bin ich gewachsen und ich weiß nicht, ob sie mich noch bezahlen könnten.

Die Preußen machen mir immer noch viel Spaß, ich würde auch weiterhin ins Stadion gehen. Aber ansonsten besteht da zurzeit kein Reiz mehr. Es ist nur noch die 3. Liga und nichts Besonderes mehr für mich. Da gefällt es mir mehr, durch Amerika zu reisen und viel von der Welt zu sehen, als in Deutschland rumzugurken. Das mag schlimm klingen, aber es war schon recht eintönig damals. Und ich bin froh, dass ich hier noch viele andere Sachen erleben und sehen kann. Washington ist da schon ein bisschen interessanter.

Der Kontakt zu Amaury Bischoff hingegen besteht noch, auch wenn er jetzt in Rostock spielt.

Mit den Sportfreunden Lotte sind Sie in der Aufstiegsrunde an RB Leipzig gescheitert. Haben Sie den Werdegang von Lotte noch etwas verfolgt?

Ich kenne noch ein paar Jungs von Lotte, bin immer mal wieder mit dem Kapitän, Gerrit Nauber, in Kontakt. Ich freue mich, dass sie auf einem sehr guten Weg sind. Ich hab vor zwei Jahren auch mal mittrainiert bei einem Freundschaftsspiel. Da habe ich den Coach, Ismael Atalan, kennengelernt. Ein sehr sehr guter Typ. Ich bin froh über den Erfolg, den Lotte hat und wünsche ihnen nur das Beste. Gute Menschen, harte Arbeiter, das mag ich.

In Ihrer letzten A-Junioren-Bundesliga-Saison haben Sie furios gespielt: 21 Spiele, 6 Tore, 2 Vorlagen. Haben Sie gehofft, dass der Sprung in den Profibereich schneller klappt?

Natürlich wäre es damals schön gewesen, früher in den Profibereich zu kommen, aber ich hab beim SC Preußen dann die Chance bekommen. Und so wie es gelaufen ist, habe ich alle meine Entscheidungen selbst getroffen und bin froh, dass ich jetzt geschafft habe, mich hier in Amerika durchzusetzen und trotzdem meine Uni im Auge zu haben, um nach dem Fußball ein gesichertes Leben zu haben. Das ist mir sehr wichtig. Ich nutze die freie Zeit, die man hat für andere Sachen, genieße das Fußballspielen. Ansonsten bin ich sehr zufrieden. Natürlich wäre es auf lange Sicht noch schön, einen großen Vertrag zu erhalten, für ein paar Jahre. Aber das Hauptaugenmerk liegt auf dem Schulischen. Ich hoffe, dass ich die Uni bald fertig bekomme und dann gucken wir mal, wo es hingeht.

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