22.10.2016 09:55 Uhr

Wo des Wiener Derby daham is

Mit Abstand der häufigste Derby-Schauplatz in Wien: Das Ernst-Happel-Stadion
Mit Abstand der häufigste Derby-Schauplatz in Wien: Das Ernst-Happel-Stadion

Am Sonntag (ab 16:30 Uhr im weltfussball-Liveticker) wird ein neues Kapitel im Buch des ewigen Duells der beiden Wiener Rivalen Rapid und Austria aufgeschlagen. Das 319. Derby zwischen Grün-Weiß und Violett ist das erste im neuen Allianz-Stadion. Für weltfussball Anlass, um auf die bisherigen Schauplätze des prestigeträchtigen großen Wiener Derbys zu blicken.

318 Mal standen sich Rapid und Austria in (anerkannten, doch dazu später) Pflichtspielen gegenüber. Elf Sportplätze boten dem Kräftemessen zwischen den beiden Mannschaften bisher die Bühne. Mit dem Allianz-Stadion in Wien-Hütteldorf, oder Weststadion wie eingefleischte Rapid-Fans und die UEFA dazu sagen, kommt erstmals seit dem 10. Mai 1985 eine neue Spielstätte hinzu.

Damals bestritt die Austria ihr erstes Heimderby im Franz-Horr-Stadion. Tibor Nylasi sorgte mit dem einzigen Treffer des Spiels zum 1:0-Sieg der Hausherren für einen geglückten Einstand an jenem Ort, der in den vergangenen 30 Jahren endgültig zur Heimat der lange quer durch die Stadt ziehenden Veilchen wurde.

"Alte Heimat - neues Zuhause", hieß es anlässlich der Rückkehr von Rapid in die bereits dritte Heimstätte in Hütteldorf. Ob es ebenso wie die Vorgänger Pfarrwiese und Gerhard Hanappi Stadion zu einer grün-weißen Festung im Derby wird, das wird die Zukunft zeigen. Weltfussball blickt indes in die Vergangenheit.

Premiere im Prater

Fernab von Hütteldorf und Verteilerkreis war es der frühere Heimplatz vom Wiener Athleticsport Club, wo alles begann. Am 8. September 1911 standen einander der Wiener Amateur Sportverein (ab 1926 Austria) und der Sportclub Rapid erstmals in einem Meisterschaftsspiel gegenüber. Die Grün-Weißen gewannen 4:1 und holten am Ende auch die Meisterschaft in der 1. Klasse des Niederösterreichischen Fußballverbands.

Zwei weitere Male sollte der unweit der Jesuitenwiese im Prater gelegene WAC-Platz noch Schauplatz des Wiener Derbys sein. Den Fußballverein Wiener AC gibt es seit der Fusion mit der Austria in den 70er-Jahren nicht mehr. Heute sind die Betonstufen rund um das Spielfeld längst von der Natur zurückerobert worden.

Legendäre Pfarrwiese

Der zuvor auf der Schmelz und in Rudolfsheim beheimatete Sportclub Rapid bezog 1912 einen Sportplatz in Penzing. Die "Pfarrwiese" war der Grundstein einer Erfolgsgeschichte. Seither sind Rapid und Hütteldorf untrennbar miteinander verbunden. Das von Eduard Schönecker, dem Bruder des legendären Rapid-Sektionsleiters Dionys Schönecker, entworfene Stadion bot 20.000 Zuschauern Platz und war bis 1981 die von Gegnern gefürchtete Heimat der Grün-Weißen.

Die jahrzehntelange Rapid-Heimstätte war jedoch vergleichsweise selten Austragungsort des Wiener Derbys. Allerdings bestritten auch die Amateure dort das eine oder andere Heimspiel und sogar Derby-Duelle als "Gastgeber". Die Bilanz der 42 Spiele weist die Pfarrwiese jedoch als regelrechte grün-weiße Festung aus. 27 Siegen von Rapid stehen nur zehn der Austria gegenüber. Fünf Vergleiche endeten remis.

Dies- und jenseits des Flusses

In den Anfangstagen des meisterschaftlich organisierten Vereinsfußballs in Wien waren sowohl Amateure als auch Rapid im Westen der Stadt beheimatet und lediglich durch den Wien-Fluss getrennt. Ihre erste Heimat fanden die späteren Austrianer in Hietzing, genauer gesagt in Ober St. Veit. Das Stadion bot zeitweise fast 30.000 Zuschauern Platz, war aber nach nur wenigen Jahren schon baufällig und wurde in den 30er Jahren geschliffen.

Als Schauplatz des Wiener Derbys war Ober St. Veit eine Randnotiz. Die Bilanz aus sieben Duellen mit Rapid ist für die Veilchen sogar negativ. 1925 sorgte das Verkehrschaos ob des riesigen Andrangs zum Derby, inklusive Stau bis Schönbrunn, für Schlagzeilen und Tumulte.

Auch auf die Had hat’s die Derbies verweht

Die erste Simmeringer Had war Schauplatz des ersten Cupdderbys zwischen Austria und Rapid. 1920 gewannen dort die Hütteldorfer im Finale mit 5:2. Ein Jahr später gab es in der Meisterschaft ein Remis. Das war es auch schon mit der kurzen Derbygeschichte in Simmering.

Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet im Heimatbezirk des Jahrhundert-Austrianers Herbert Prohaska den Veilchen nie ein Sieg gegen den Erzrivalen gelang?

Wohin mit den Massen an Fußballfans?

Die gewaltige Naturarena in Heiligenstadt ist eigentlich die traditionelle Heimat des First Vienna FC. Die Hohe Warte diente in der Zwischenkriegszeit allerdings auch dem Nationalteam sowie weiteren großen Begegnungen als Bühne, so auch dem Derby zwischen Rapid und Austria. Vor dem Bau des Praterstadions konnten nirgendwo in Wien so viele Zuschauer ein Fußballspiel verfolgen. Anfang der 20er-Jahre waren nicht selten 40.000 bis 50.000 Fans beim Derby - der Kick boomte.

Sogar nach Gründung der Bundesliga erlebte die Hohe Warte noch einmal ein großes Wiener Derby. 1981 bestritt die Austria noch einmal ein Heimduell mit den Grün-Weißen in Döbling. 11.000 Zuschauer bei einem 1:0-Sieg von Rapid erinnerten aber nur fern an die goldenen Zwanziger.

Das Stadion

Der 2:0-Sieg von Rapid über die Austria am 2. April 1933 war das erste von bislang 140 Derby-Duellen im für die Arbeiterolympiade 1931 erbauten Praterstadion. An keinem anderen Ort wurden mehr Duelle ausgetragen als im "Wiener Stadion". Sowohl Rapid (10:1 im Jahr 1942) als auch die Austria (6:0 im Jahr 1969) feierten hier ihre größten Triumphe.

Historisch hat die Austria die bessere Bilanz im seit nach der Rapid-Legende Ernst "Wödmasta" Happel benannten Stadion. Die Grün-Weißen trösten sich mit der besseren Ausbeute aus Meisterschaftsduellen im Prater.

Das ursprünglich zweirängige und unüberdachte Oval diente über die Jahrzehnte hinweg beiden Mannschaften als Heimstätte, so richtig daheim war aber keine von ihnen. Nicht zuletzt, weil das Ernst-Happel-Stadion für das Zuschaueraufkommen bei den Wiener Vereinen mittlerweile überdimensioniert ist. Nach zweijährigem baubedingten Exil von Rapid bestreitet derzeit die Austria - ebenfalls baubedingt für zwei Jahre - ihre Heimspiele. Danach könnte das altehrwürdige Stadion selbst zur Großbaustelle werden.

Kriegsschauplatz Meidling

Der Wacker-Platz in Meidling war ein Kriegsschauplatz. Freilich nicht bei Ausschreitungen zwischen rivalisierenden Fangruppen sondern tatsächlich während des zweiten Weltkriegs. Rapid gewann sowohl 1940 als auch 1944. In die offiziellen Statistiken fand allerdings nur das erste der beiden Duelle an der Rosasgasse Eingang. Da die Gauliga 1944/45 nur zur Hälfte ausgetragen werden konnte, gab es nicht nur keinen "österreichischen" Meister, auch das Derby wurde in beidseitigem Einvernehmen nicht in die historische Bilanz miteingerechnet. 

Daher wird das streng genommen 320. Pflichtspiel zwischen Rapid und Austria erst das 319. Wiener Derby sein.

Gastspiel in Hernals

Als ältestes noch bespieltes Stadion ist der 1909 eingeweihte Sportclub-Platz in Dornbach Wiener Kulturgut. No na, gab es auch im 17. Bezirk ein großes Wiener Derby. 1958 gewann Rapid das einzige Kräftemessen in Hernals klar mit 4:1. Um den Rang als Nummer eins in Wien ging es jedenfalls nicht. in diesem Jahr holte der WSC den Titel.

Ob in die Südstadt so nah…

Ein Wiener Derby muss nicht notwendigerweise in Wien ausgetragen werden. Bereits 1925 standen sich die beiden ewigen Rivalen in Turin zu einer Exhibition gegenüber. Der "calcio danubiano" genoss schließlich international einen exzellenten Ruf.

1973 reichte es zu einem freundschaftlichen (!) Duell nicht nur in Güssing, sondern auch zu einem Meisterschaftsspiel in der Südstadt. In der südlichen Peripherie Wiens war immerhin ein modernes Sportzentrum entstanden: Am 1. Dezember 1973 gab es dort einen 3:1-Erfolg der Austria.

Das letzte Freundschaftsspiel zwischen Austria und Rapid fand übrigens 1993 statt, ebenfalls in Niederösterreich, und zwar in Wiener Neudorf. Dort wurde mit einem 4:4 immerhin ein regelrechtes Torfestival geboten.

Religion und Kirche

Nicht nur als Spieler war Gerhard Hanappi bei Rapid prägend. Der Ingenieur entwarf auch die zweite Langzeit-Heimat der Grün-Weißen in Hütteldorf, das Weststadion. Die Ende der 70er-Jahre trotz zunächst fehlendem Dach moderne Arena wurde aber entgegen den Plänen des Architekten um 90 Grad gedreht gebaut und setzte das Publikum damit dem Westwind gnadenlos aus.

Versuche, auch die Austria im Weststadion heimisch zu machen scheiterten am Widerstand der violetten Anhängerschaft. Auf Seiten von Rapid wurde zunehmend an der Stilisierung als Religion gearbeitet. Die doppelte Vereins-Legende Josef Hickersberger übernahm in seiner Funktion als Rapid-Trainer einen Begriff der Fans und erhob das nach dem früh verstorbenen Architekten benannte Stadion zum "St. Hanappi".

Die Derby-Bilanz war einer grün-weißen Pilgerstätte würdig, aber nur knapp: 26 Siegen von Rapid standen 21 der Austria gegenüber. 23 Derby-Duelle endeten unentschieden.

Vom Platz zur echten Heimat 

Als bürgerlicher "City-Klub" hatte die Austria mit dem Arbeiterbezirk Favoriten lange nur wenig am Hut. Mit "Wunderteam-Stürmer" Matthias Sindelar stammte immerhin eine der großen Vereinsikonen aus dem zehnten Hieb. Ende der 70er Jahre machte der damalige WFV-Präsident Franz Horr dem Austria-Boss Joschi Walter den Verbandsplatz am Laaer Berg schmackhaft. 

Es sollte dauern, bis die Veilchen tatsächlich Wurzeln im Süden Wiens schlagen konnten. Lange unschlüssig zogen die Violetten weiter umher, vor allem Derby und Europacup wurde lieber im Prater gespielt. Erst 1985 erlebte das ursprüngliche "České srdce" (Tschechisches Herz) genannte Stadion sein erstes Derby, vorerst sollten auch nur wenige weitere folgen. Mit der Rückkehr aus dem Prater 1999 durchbrach die Austria im Horr-Stadion nicht nur die längste Derbyflaute (17 Spiele ohne Sieg), sondern blieb anschließend ebenso lang unbesiegt.

Seit dem Abschied von Magna-Mäzen Frank Stronach stand fest: Die Austria bleibt am Verteilerkreis. 2018 sollen die über Jahrzehnte verteilten Bauarbeiten abgeschlossen sein und die Austria ihre Heimat wieder beziehen können.

Mehr dazu:
>> Wiener Derby: Die Überläufer 

Sebastian Kelterer

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