06.09.2016 14:02 Uhr

Lügen & Sperren - Schiri-Skandal in England

Ex-Schiri Mark Halsey sorgt für Wirbel im englischen Fußball
Ex-Schiri Mark Halsey sorgt für Wirbel im englischen Fußball

Ein hochrangiger Offizieller, der einen Schiri zwingt, zu behaupten, er habe eine Szene gar nicht gesehen, damit ein Spieler nachträglich gesperrt werden kann: Undenkbar? Nein! In England ist wohl genau das passiert.

Auf der Insel braut sich etwas zusammen. Ein ehemaliger Premier-League-Schiedsrichter erhebt schwere Vorwürfe gegen die englische Unparteiischen-Vereinigung PGMOL. Diese soll ihn wider besseren Wissens dazu gezwungen haben, zu leugnen, dass er bestimmte Vorfälle auf dem Platz gesehen habe, um spezielle Spieler im Nachhinein doch noch bestrafen zu können.

Seinen Auftakt nahm das Thema Anfang September, als Manchester Citys Sergio Agüero nachträglich für einen Ellenbogenschlag gegen West Hams Winston Reid für drei Partien gesperrt wurde. Der Stürmer der Citizens verpasst damit unter anderem das prestigeträchtige Derby gegen den Stadtrivalen United - das große Duell zwischen Pep Guardiola und José Mourinho.

Ein Ex-Schiri packt aus

Kaum war die Sperre ausgesprochen brandete eine Twitter-Diskussion um die Bestrafung auf, die überhaupt nur deswegen möglich war, weil Schiedsrichter Andre Marriner die Szene angeblich nicht gesehen hatte. Für viele Fans kaum zu glauben, weil er laut Fernsehbildern eigentlich klare Sicht auf die Situation hatte. 

In dieses Thema schaltete sich mit Mark Halsey auch ein Ex-Premier-League-Schiri ein, der ordentlich Zündstoff für Verschwörungstheorien lieferte. Er antwortete einem User, der nicht glauben konnte, dass der Schiedsrichter den Ellenbogenhaken des City-Kickers nicht gesehen hatte: "Ich war selbst schon in solch einer Situation, dass ich einen Vorfall gesehen habe und mir aber gesagt wurde, ich soll sagen, ich hätte es nicht gesehen." Der 2013 aus dem Dienst ausgeschiedene Schiri schockierte mit dieser Aussage die englische Fußball-Welt. 

Es sei aber nicht der englische Fußballverband (FA), der diese Vorgaben machen würde, sondern die Schiedsrichtervereinigung, fuhr Halsey auf Twitter fort. "Das kommt von der PGMOL." Die Vereinigung reagierte prompt und wies die Anschuldigungen im englischen "Mirror" entschieden zurück. In dem Statement heißt es unter anderem: "Die Unparteiischen stellen sicher, dass in ihren Berichten der Vorfall komplett und genau beschrieben wird. Die PGMOL übt keinen Druck aus, Vorfälle zu erwähnen oder absichtlich auszuklammern."

Ein Anruf verändert alles

Der Vorfall, auf den Halsey sich in seiner eigenen Laufbahn bezieht, stammt aus dem Jahr 2011. Damals duellierten sich Blackburn und Stoke City. Steven Nzonzi von den Rovers traf Ryan Shawcross im Gesicht. Der 55-Jährige bewertete das Ausholen damals als unabsichtliche Bewegung und ließ weiterspielen. In der "sun" sagte er dazu: "Ich habe die Situation zwischen den beiden Spielern gesehen und war froh, dass es keine Rote Karte war." 

Nach dem Spiel sei auch der Spielbeobachter zu ihm gekommen und habe gesagt, dass es kein Problem gegeben habe und er eine gute Schiri-Leistung gezeigt habe. Doch am darauffolgenden Montag gab es eine Zusammenkunft mit Unparteiischen, in der es auch um die Szene ging. Doch auch da sei Halsey immer noch glücklich mit seiner Tatsachenentscheidung gewesen. 

Allerdings wurde er dort schon gewarnt, dass er bald einen Anruf erhalten werde. "Als ich das Telefongespräch annahm, habe ich ihnen gesagt, dass ich zufrieden mit meiner Entscheidung bin - aber sie sagten mir, dass meine Bosse es nicht sind. Ich wurde dann unter Druck gesetzt und musste behaupten, die Situation nicht gesehen zu haben", gab der Ex-Schiri zu Protokoll.

"Ich war sauer und wütend", sagte Halsey, "aber egal für wen du arbeitest, du musst tun, was Deine Bosse Dir sagen." Daraufhin sei Nzonzi schließlich für drei Spiele gesperrt worden. "Ich wollte das gar nicht", beteuerte der 55-Jährige, "ich war unglücklich damit. Aber mal ehrlich, was soll man tun, wenn die Verantwortlichen Dir befehlen, etwas zu tun." Er hätte zu diesem Zeitpunkt einfach nichts öffentlich sagen können, "aber man sollte auch gar nicht erst in solch eine Situation gebracht werden", fügte der Engländer hinzu.

Kein Einzelfall?!

Zudem betonte der ehemalige Unparteiische, dass dies nicht der einzige und letzte Fall gewesen sei. "Ich weiß, dass es so weitergeht, weil es mir andere Schiris erzählt haben." Aber man könne nichts dagegen machen, weil keiner den Mund aufmache. Der Druck auf die Schiedsrichter sei riesengroß. Keiner wolle aus dem Schiedsrichterverband ausgeschlossen werden. "Es gibt definitiv äußere Einflüsse auf verschiedene Situationen", betonte Halsey. 

Der Ex-Schiri deutete sogar eine mögliche Verschwörung innerhalb des Referee-Verbandes an: "Es ist klar, warum sie es tun, denn einige werden bestraft und andere nicht." Ex-ManUnited-Kicker Gary Neville schaltete sich ebenfalls per Twitter in die Diskussion ein: "Ich dachte immer, Schiris spielen die 'Hab ich nicht gesehen'-Karte, um sich selbst zu schützen, aber nicht, dass sie dazu von oben genötigt werden." 

Er forderte umgehende Aufklärung vom englischen Verband und kritisierte die vorschnelle Stellungnahme der PGMOL, die ohne jede Untersuchung erfolgte. "Es wäre besser gewesen, der Schiri-Verband hätte gemeldet: 'Wir nehmen diese Vorwürfe ernst und werden jeden Stein umdrehen, um die Wahrheit zu finden'", schrieb der ehemalige, englische Nationalspieler auf Twitter. 

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