25.05.2016 14:45 Uhr

ÖFB-Camp heilt die Abstiegswunden

Bei Florian Klein und Martin Harnik kehrt das Lächeln zurück
Bei Florian Klein und Martin Harnik kehrt das Lächeln zurück

Beim ÖFB-Teamcamp in der Schweiz ist Seelenmassage für Florian Klein und Martin Harnik angesagt. Das Duo musste mit dem VfB Stuttgart den Abstieg aus der deutschen Bundesliga verkraften, eine ganz bittere Pille. Darüber hinaus verlor Klein bei den Schwaben im Frühjahr seinen Stammplatz und auch Harnik landete öfters nur auf der Ersatzbank.

Neben der ohnehin schon schmerzvollen Erfahrung auf dem Abstellgleis kam dann auch noch der Abschied aus dem Oberhaus, der von medialen Vorwürfen begleitet wurde. Bei der Pressekonferenz des österreichischen Nationalteams am Mittwoch im Hotel Adula in Flims erschienen die beiden Deutschland-Legionäre deshalb mit sehr ernster Miene.

Noch dazu mit erheblicher Verspätung, weil es in der Früh überraschenden Besuch im ÖFB-Quartier in Laax gegeben hatte: Im Vorfeld der EM in Frankreich entsendete die UEFA unangekündigt ihre Dopingkontrolleure. Das Vormittagstraining in Schluein und der folgende Medientermin mussten dementsprechend nach hinten verschoben werden.

"Wir hatten kein Einstellungs- oder Identifikationsproblem in Stuttgart"

Beide Spieler wollten vor der versammelten Journalisten-Runde gleich eingangs etwas los werden. Dabei ging es um einen "kicker"-Bericht, wonach den österreichischen Nationalspielern in Stuttgart "hinter vorgehaltener Hand vorgeworfen wird, sich nicht mehr ausreichend mit dem Verein identifiziert bzw. sich nicht mehr genügend in den Dienst der Mannschaft gestellt zu haben."

"Wir hatten sicher kein Einstellungs- oder Identifikationsproblem. Es ist in Stuttgart sehr viel passiert und dann sind wir auch noch in ein schlechtes Licht gerückt worden. Aber wir lassen uns sicher nicht als Buhmänner hinstellen", eröffnete Harnik.

Auch Klein legte Wert auf die Feststellung, "dass wir jeden Tag alles gegeben haben. Es war für mich persönlich ein schwieriges halbes Jahre. Zuerst hat man berichtet, dass ich um die Freigabe gebeten habe: Auch das stimmte nicht. Ich habe aber nichts gesagt, doch jetzt kann man diesen Vorwurf nicht einfach so stehen lassen."

Beschimpfungen lassen nicht kalt - Privatleben hat gelitten

Auf weltfussball-Nachfrage beschrieben die zuletzt angefeindeten VfB-Profis, was sie in Stuttgart erlebten. Nach dem letzten Heimspiel hatten die Fans den Platz gestürmt, die Mannschaft musste nach der Partie noch einmal raus aus der Kabine. Übelste Beleidigungen waren die Folge. Doch auch sehr gut bezahlte Fußball-Profis sind Menschen mit Gefühlen.

"Es lässt nicht kalt, wenn man beleidigt wird. Wir hatten schwierige Wochen, wo wir die Existenzangst von Mitarbeitern des Vereins miterlebt haben. Unter so einem Abstiegskampf leidet auch das Privatleben. Restaurant, Kaffeehaus sowie natürlich das Nachtleben meidet man. Klar ist es 'nur' Fußball, aber es ist schließlich unser Beruf. Da sind wir ganz schön gescheitert", beschrieb Harnik sein Innenleben.

Klein ging sogar noch weiter: "Wir sind damals die ersten zehn Minuten nur beschimpft worden. So ein negatives Erlebnis ist schwer zu meistern. Aber man muss die Fans auch verstehen: Sie stehen ein Leben lang hinter ihrem Verein und sind mit Herzblut dabei. Kein Spieler nimmt einen Abstieg einfach so locker hin. Das ist eine Erfahrung, wo ich später nicht gerne darauf zurückschauen werde."

Eine Porsche-Bestellung zur falschen Zeit

Bei Martin Harnik war mitten im Abstiegskampf eine Porsche-Bestellung zum medialen Thema geworden. "Ich habe sechs Jahre lang sehr sauber in Stuttgart gelebt, alles für den VfB gegeben und bin auch in schwierigen Zeiten immer Rede und Antwort gestanden. Ich habe mir ein Image aufgebaut und dann will man das mit dieser 'Autogeschichte' zerstören. Dabei kamen die Bilder nicht von mir und ich habe nichts dazu gepostet. Ich brauche mich nicht rechtfertigen oder mir vorschreiben lassen, wo ich mein Geld investiere", so der 28-Jährige.

Nach Ablauf seines Vertrags in Stuttgart ist Harnik ablösefrei zu haben, zu seiner Zukunft meinte er: "Mein Berater hat natürlich Kontakte mit Vereinen. Wenn das richtige Angebot kommt, dann werde ich es auch wahrnehmen."

Bei "Flo" Klein ist die Situation etwas anders: "Mein Vertrag läuft noch ein Jahr und gilt auch für die zweite Liga. Aber jetzt kommt erst mal die Europameisterschaft in Frankreich und natürlich ist das eine tolle Plattform, sich zu zeigen." Mit 29 Jahren vielleicht sogar ideal.

Klein bricht das Eis und bringt das Lächeln zurück

Dann wurde Harnik gefragt, ob er noch vor oder nach der EM seinen neuen Arbeitgeber geklärt haben will. "Es wäre mir schon lieber, wenn es noch vor der Europameisterschaft erledigt ist. Dann hätte ich eine Sache weniger im Kopf. Ich kann mir mit meiner Frau durchaus eine neue Auslandserfahrung, aber auch einen Verbleib in Deutschland vorstellen", lautete die Antwort.

Klein unterbrach die bisher sehr ernste Frage- und Antwort-Runde: "Ist euch das jetzt aufgefallen? Er hat von einer neuen Auslandserfahrung gesprochen, dabei war er eh schon die ganze Zeit in Deutschland." Nicht nur bei Sitznachbar Harnik sondern auch im Saal brach er damit das Eis. Lachen bei den Fragestellern und plötzlich strahlende Gesichter auf dem Podium.

Harnik, laut Eigenbeschreibung der "Piefke" im ÖFB-Team, drehte plötzlich auf und war um keine Antwort verlegen: "Ich habe ja zuletzt sogar schon als Deutscher kurz die Kapitänsschleife in der Nationalmannschaft getragen."

"War mit der Tragweite der EM 2008 nicht bewusst"

Harnik ist ohnehin ein Mann der klaren Worte. Als einer von nur fünf aktuellen Kaderspielern, war er bereits bei der Heim-EM 2008 im Aufgebot.

Seine Erinnerungen daran? "Im Nachhinein habe ich sehr viele Dinge bereut. Ich war noch ein Stück zu jung, um mir der Tragweite und Wichtigkeit der Europmeisterschaft bewusst zu sein. Jetzt ist das ganz anders. Dabei spielt aber ebenso einr Rolle, dass wir mit der erfolgreichen Qualifikation den Weg nach Frankreich gemeinsam gegangen sind. Damals sind wir erst am Ziel eingestiegen." 

Der Flügelflitzer versicherte, dass es "ein Traum ist, bei der Europameisterschaft mitspielen zu dürfen. Schon in der Jugend denkt man WM und EM. Jeder verfolgt diese großen Turniere. Jetzt sind wir ein Teil davon, das ist das Größte."

Zumindest vorläufig waren die Gedanken an den tiefen Fall in Stuttgart verdrängt - nicht vergessen. Dazu ist zu viel passiert. Wenn es einer Mannschaft und einem Trainerteam gelingt, die beiden Absteiger aufzurichten, dann dieser ÖFB-Einheit. Dazu passte, dass am Mittwoch auch das Wetter wieder stimmte und angenehme Temperaturen nach Graubünden zurückgekehrt waren. Sie lachen noch nicht mit der Sonne um die Wette, aber sie lächeln wieder.

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Christian Tragschitz, weltfussball.at aus Graubünden

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