28.11.2015 10:00 Uhr

Eusebio Sacristán: Tanz mit der alten Liebe

Eusebio Sacristán ist der neue Hoffnungsträger bei Real Sociedad
Eusebio Sacristán ist der neue Hoffnungsträger bei Real Sociedad

Sieben Jahre aktiver Spieler, fünf Jahre Co-Trainer, vier Jahre Trainer der zweiten Mannschaft: Durch die Adern von Eusebio Sacristán fließt Barça-Blut. Als neuer Trainer von Real Sociedad hat er einen erfolgreichen Einstand gefeiert – doch schon im zweiten Spiel geht es gegen die alte Liebe.

Unter Trainern gehen die Meinungen über Spiele gegen scheinbar übermächtige Gegner weit auseinander: Die einen bezeichnen diese als die einfachsten, weil man nichts verlieren, aber wahnsinnig viel gewinnen könne. Für andere sind sie die schwierigsten, weil man versuchen muss, eine böse Klatsche abzuwenden.

Egal, wie man solche David-gegen-Goliath-Duelle im Vorhinein auch interpretiert: Schafft es der Fußballzwerg zu gewinnen, ist der Trainer der Größte.

Moyes, der Barça-Bezwinger

Anfang Januar war David Moyes auf dem Höhepunkt seines Schaffens als Trainer von Real Sociedad, als sein Team sich gegen den großen FC Barcelona einen 1:0-Sieg ermauerte. Die Medienwelt überschlug sich, Spieler lobten in den Interviews die Arbeit des Schotten, dem eine lange, erfolgreiche Zukunft bei den Basken prophezeit wurde.

Lange Zukunft? Von wegen! Ein knappes Jahr später war der Zauber verflogen. Einer ordentlichen ersten Saison folgte ein schwacher Saisonstart. Platz 16 nach zwölf Spielen war zu wenig, Moyes musste gehen.

Der Plan, eine neue Ära zu begründen, muss nun also mit einem anderen durchgeführt werden. Ihren Wunschtrainer haben die Basken schnell gefunden: Eusebio Sacristán unterschrieb einen Vertrag bis Sommer 2017.

100 Prozent Identifikation

In seinem neuen Verein fühlt sich der 51-Jährige direkt wohl: "Der Klub steht für eine Philosophie und für Werte, mit denen ich mich zu 100 Prozent identifizieren kann. Es ist ein familiärer Verein mir einer großen Historie, er steht für lokale Verbundenheit und eine hervorragende Jugendarbeit."

Die Aufgabe für Eusebio ist die gleiche wie die seiner zahlreichen Vorgänger: Er soll eine Mannschaft mit der richtigen Mischung aus baskischen Spielern und Legionären formen, mit der sich das Publikum identifizieren kann. Und diese soll er dann peu à peu wieder in die oberen Tabellenregionen führen. Der Klub soll wieder die Nummer eins im Baskenland werden - im Vergleich zum Athletic Club und dem Überraschungsteam aus Eibar ist man hier derzeit im Hintertreffen.

Siegreicher Auftakt

Natürlich – was soll er auch anderes sagen? - sieht der neue Chef die Chancen, diese Ziele zu erreichen, optimistisch: "Die Mannschaft hat definitiv Potential, sich zu verbessern und schnell wieder in bessere Tabellengefilde vorzustoßen."

Der Auftakt zu diesem Vorhaben ist schon einmal gelungen. Im ersten Spiel mit Eusebio an der Seitenlinie setzten sich die Basken nach einer überzeugenden Leistung 2:0 gegen Sevilla durch. Immerhin Europa-League-Sieger.

Aber schon im zweiten Spiel steht die derzeit wohl größte Aufgabe im Weltfußball an: ein Gastspiel im Camp Nou gegen den FC Barcelona (Samstag ab 16:00 Uhr im weltfussball-Liveticker). Nach dem Europa-League- geht es jetzt also gegen den Champions-League-Sieger. Gegen das Team, das in den letzten sechs Tagen zuerst Real Madrid mit 4:0 und dann die Roma mit 6:1 aus dem Stadion schoss. Die Aufgabe ist ohnehin pikant. Besondere Würze hat das Spiel aber für Eusebio Sacristán wegen seiner tiefen Verwurzelung mit Barça.

Barça im Herzen

Als Spieler hatte Eusebio seine erfolgreichste Zeit bei den Katalanen. Mit dem FCB wurde er in sieben Jahren unter anderem viermal spanischer Meister. 1992 gewann er an der Seite von Pep Guardiola, Ronald Koeman und Michael Laudrup den Europapokal der Landesmeister.

Seine Trainerfähigkeiten entwickelte er ebenfalls beim katalanischen Edelklub. Zwischen 2003 und 2008 stand er Frank Rijkaard als Co-Trainer zur Seite – auch in dieser Funktion gewann er die Champions League.

Nach einem kurzen Abstecher zu Celta Vigo kehrte er 2011 zu Barça zurück und trainierte dort bis Februar diesen Jahres die zweite Mannschaft. Eusebio bewies, dass er ein Händchen für die Entwicklung junger Spieler hat und für einen offensiven, ansehnlichen Fußball steht. 2014 führte er das Team in der zweiten spanischen Liga sogar auf einen sensationellen dritten Platz.

Wer diese Vita vorzuweisen hat, hat eine besondere Bindung zu einem Klub – daraus macht Eusebio auch keinen Hehl. Umso spannender ist die Konstellation des Gastspiels seines neuen Teams im Camp Nou. Wer, wenn nicht er könnte dem FC Barcelona taktisch ein Schnippchen schlagen?

Strukturen auf dem Prüfstand

Dass er zumindest darüber nachdenkt, in die Trickkiste zu greifen und einen besonderen Matchplan für die Barça-Partie zu erarbeiten, deutete er unter der Woche an. In einer öffentlichen Trainingseinheit ließ er die A-Elf in einem 4-4-2 mit Agirretxe und Carlos Vela als Doppelspitze auflaufen statt im gewohnten 4-3-3.

Ob das letztlich auch das System der Wahl sein wird, ist abzuwarten. Schließlich hatten die Basken auch noch zwei nicht-öffentliche Einheiten vor der Partie. Doch die Maßnahme zeigt: Eusebio ist auf der Suche nach Alternativen, eingefahrene Strukturen stehen zumindest auf dem Prüfstand.

Auch in der Mannschaft will er durchprobieren: "Jeder wird seine Chance bekommen. Für mich ist Konkurrenzkampf extrem wichtig, davon profitiert das Mannschaftsgefüge ungemein."

Für einen neuen Trainer ist es vielleicht sogar eine günstige Situation, so früh auf Barcelona zu treffen. Die Partie ist eine Spielwiese für Experimente. Bei einem Sieg wäre Eusebio direkt der Größte. Eine Niederlage wäre kein Weltuntergang. Die öffentliche Erwartungshaltung ist ja entsprechend. Eusebios eigene Erwartungshaltung ist da ein anderes Thema. Schließlich bittet er seine alte Liebe zum Tanz...

Jochen Rabe

Online-Wettanbieter: bet365 | Interwetten | sportingbet | Tipico Sportwetten