17.09.2015 10:30 Uhr

Weltklassekeeper in Südamerika? Nix da!

Johnny Herrera sieht sich als besten chilenischen Keeper aller Zeiten
Johnny Herrera sieht sich als besten chilenischen Keeper aller Zeiten

Südamerika produziert Ausnahmefußballer am Fließband. Aber gute Torhüter sind seit jeher rar. Brasilien setzt sogar auf einen Torwart aus der zweiten Liga. Die Südamerika-Kolumne.

Torwart Johnny Herrera gehört zur chilenischen Riege der Rüpel-Fußballer. Ein paar Faustschläge im Derby, ein alkoholisierter Verkehrsunfall mit Todesfolge, noch ein alkoholisierter Verkehrsunfall, Schlägereien in der Disco… Johnnys Skandalregister ist gut gefüllt.

Dabei könnte Herrera durchaus auch aufgrund seiner sportlichen Erfolge bei Universidad de Chile in die Geschichte des chilenischen Fußballs eingehen. Oder wegen seiner seltenen, aber polemischen Interviews.

Johnny Herrera: "Keiner erfolgreicher als ich"

Zuletzt brachte er Journalisten und Fans in seiner Heimat ordentlich in Aufruhr, als er behauptete, "in der Geschichte des chilenischen Fußballs keinen erfolgreicheren Torhüter" als sich selbst zu sehen.

Er hatte wohl Claudio Bravo übersehen. Jenen Keeper, der mit Barcelona in der vergangenen Saison das Triple gewann und kurz darauf als Kapitän Chiles erstmals zum Gewinn der Copa América geführt hatte. Claudio Bravo ist seit Jahren die unumstrittene Nummer Eins der Nationalmannschaft und damit Johnny Herreras direkter Widersacher. Und er ist derzeit jene Ausnahme, die die Regel der schwachen südamerikanischen Torhüter bestätigt.

Dabei hatte die Weltmeisterschaft in Brasilien den Keepern des Kontinents einen Impuls Richtung Spitzenfußball gegeben. Nicht nur Claudio Bravo wurde von Barcelona verpflichtet, auch Kolumbiens David Ospina wechselte zu Arsenal. Dort hatte er in der vergangenen Spielzeit den Platz im Kasten der Gunners sicher, bis ihm im Sommer ein gewisser Petr Čech vor die Nase gesetzt wurde. Der kolumbianische Nationaltorwart fand sich plötzlich auf der Ersatzbank wieder und kam erst in der Champions League gegen Dinamo Zagreb zu seinem Saisondebüt.

Ospina und Romero: In England auf der Bank

Ähnlich erging es Argentiniens Nummer Eins Sergio Romero. Nach Jahren ohne richtigen Stammplatz bei Samporia und AS Monaco, spielte Chiquito ("der Kleine") Romero eine überzeugende WM und wurde wohl auch aufgrund dieser Leistung von Manchester United als Ersatz für den Spanier De Gea verpflichtet. Dieser entschied sich letztendlich aber doch für einen Verbleib in Manchester, sodass auch dem Argentinier nur die Reservistenrolle bleibt.

Im Gegensatz zu Kolumbien und Chile, wo neben ein bis zwei Auswahltorhütern kaum ein anderer "arquero" auch nur annähernd an das Niveau eines Keepers aus der zweiten oder dritten Bundesliga herankommt, hat Argentinien wenigstens eine relativ breite Mittelschicht an Schlussmännern vorzuweisen. Romeros Ersatzmann Andújar war lange Zeit Stammspieler bei Catania, Palermo und zuletzt Neapel. "Willy" Caballero wurde unter Coach Pellegrini sogar Kapitän bei Málaga und folgte ihm dann (trotz Reservistenrolle) zu Manchester City.

Zweitligatorwart bei Brasilien

Dazu kommt eine Reihe von Nachwuchstorhütern, die Hoffnung auf eine bessere Zukunft machen. Arsenal hatte bereits 2010 aus Independientes (für argentinische Verhältnisse) starken Torhüterschule den damals 17 Jahre alten Emiliano Martínez verpflichtet, der seitdem kreuz und quer durch die englischen Ligen verliehen wird. Am interessantesten ist wohl der 23 jährige Gerónimo Rulli, der 2014 von Estudiantes de La Plata zu Real Sociedad nach Spanien wechselte und dort seitdem die unumstrittene Nummer Eins ist.

Und beim großen Nachbarn Brasilien? Sieht die Lage nicht viel besser aus. Die Zeiten, als Dida oder Julio César die Tore bei europäischen Topklubs hüteten, sind lange vorbei. Derzeit ist Jefferson vom brasilianischen Zweitligisten (!) Botafogo der Mann im Kasten der Seleçao. Die Zukunft gehört wohl Marcelo Grohe von Gremio und dem jungen Alisson (22) von Internacional aus Porto Alegre. Diego Alves ist zwar Stammtorwart bei Valencia, allerdings spielt er auch wie Neto, der Buffon bei Juventus beerben soll, in der Planung für die WM-Qualifikation des Nationaltrainers Dungas scheinbar keine Rolle.

Das Fazit zu südamerikanischen Torhütern ist definitiv mager. Fand man früher mit Hugo Gatti, René Higuita oder José Chilavert wenigstens noch ein paar Charakterköpfe in den Auswahlmannschaften, kann heute keine Auswahl auf einen Torwart zählen, der Stammspieler auf annähernd hohem Niveau ist. Chiles Claudio Bravo ist hier eine Ausnahme, wie auch sein Ersatzmann Johnny Herrera.

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Für weltfussball berichtet aus Südamerika: Viktor Coco

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