28.05.2015 23:10 Uhr

Kuranyi: Abschied mit Wehmut

Kevin Kuranyi zieht es mit seiner Familie wieder nach Deutschland
Kevin Kuranyi zieht es mit seiner Familie wieder nach Deutschland

Traurige Fans, dankbare Mitspieler - und ein früherer Nationalspieler mit Abschiedsschmerz: "Das tut schon weh", sagt Kevin Kuranyi in den Katakomben der kleinen Chimki-Arena bei Moskau.

"Danke, Kevin", steht an diesem kühlen Mai-Tag in Deutsch auf einem großen Transparent in der Fankurve, zwei Anhänger von Dynamo Moskau überreichen ein selbstgemaltes Porträt. Und Trainer Stanislaw Tschertschessow, einst Torhüter bei Dynamo Dresden, klopft Kuranyi anerkennend auf die Schulter. Ein Spiel noch am 30. Mai - dann ist das Abenteuer Russland für den Stürmer nach fünf Jahren vorbei. Nächster Halt Bundesliga? "Mal sehen", sagt der 33-Jährige lächelnd.

Köln oder Bremen: Kuranyi wird mit fast jedem Bundesligaverein in Verbindung gebracht, der angeblich einen Angreifer sucht. Stuttgart oder Schalke: Das Interesse seiner Ex-Clubs gilt als hartnäckiges Gerücht. Katar oder USA: Hier sollen handfeste Angebote vorliegen. "Wie es konkret weitergeht, kann ich noch nicht sagen. Aber meine Familie möchte nach Deutschland zurück", erzählt der Vater von zwei Kindern der Deutschen Presse-Agentur. "Noch zwei, drei Jahre" wolle er auf höherem Niveau spielen. "Danach möchte ich im Fußball bleiben, vielleicht im Jugendbereich. Wenn ich manchmal sehe, mit welcher Leidenschaft junge Leute Fußball spielen, geht mir das Herz auf."

Geduldiger in Russland

Kuranyis Meriten bei Dynamo sind groß - für den Erstligisten erzielte er mehr als 50 Pflichtspieltore. Das Angebot für eine Vertragsverlängerung schlug er nun aber aus. Dennoch: Seiner persönlichen Entwicklung habe die Zeit in Russland gut getan, meint Kuranyi. "Ich musste hier zwangsläufig mehr Verantwortung tragen als früher in Gelsenkirchen oder Stuttgart, weil ich über mehr internationale Erfahrung verfüge als viele Mitspieler." Er habe sich verändert im Vielvölkerstaat Russland und in Moskau, der mit gut 14 Millionen Einwohnern größten Stadt Europas. Aus Abenteuer wurde bald Alltag. "Ich bin geduldiger geworden, vielleicht auch etwas demütiger." Vieles dauere länger als in Deutschland - auf manches warte man auch völlig vergeblich.

Kuranyi war 2010 vom FC Schalke 04 nach Moskau gewechselt. Rund 5,7 Millionen Euro im Jahr soll der Vize-Europameister von 2008 in Russland verdient haben. Nun also der Abschied aus dem Land, in dem Ball und Rubel rollen. Vor den Schattenseiten habe er nie die Augen verschlossen, erzählt er. "Ich werde zum Beispiel oft gefragt, wie es ist, im Kaukasus zu spielen, wenn man weiß, dass in der Region Menschen bei Gefechten sterben", erzählt Kuranyi. "Wir Spieler haben zwar nur einen sehr begrenzten Blick, wenn wir etwa in Grosny oder in Machatschkala sind, aber die höhere Polizeipräsenz fällt schon auf."

Europapokalplatz zum Abschied

Experten wunderten sich, und Laien schüttelten den Kopf, als sie 2010 vom Wechsel des Ex-Nationalstürmers in die Fußball-Provinz Russland hörten. Doch schnell stand Kuranyi dort nicht nur bei Fans hoch im Kurs, sondern auch bei Dynamos mächtigen Funktionären. Mit Hilfe der Großbank VTB feilt der Club am milliardenschweren Zukunftskonzept "Dynamo 2020", ein ultramodernes Stadion inklusive. Dass die WM 2018 in Russland stattfindet, findet Kuranyi gut: "Damit wird eine entscheidende Weiche im russischen Fußball gestellt, denn Dinge wie Stadionkomfort und Fanbetreuung stecken in den Kinderschuhen."

Es ist ein Abschied im Guten: Vor dem letzten Spieltag hat Dynamo als Tabellenvierter beste Chancen auf einen Europapokalplatz. Einen Titel errang der Verein in den fünf Kuranyi-Jahren nicht, dafür war die Übermacht der finanzstarken Clubs Zenit St. Petersburg und ZSKA Moskau zu groß. Aber Kuranyi war 2012 zum Dynamo-Kapitän und damit als erster Deutscher zum Spielführer eines russischen Fußballprofiteams ernannt worden - ein Beweis für die große Wertschätzung, die er bei Mitspielern und Trainer genießt.

Spätestens beim Abschiedsspiel von seinem Ex-Mitspieler Gerald Asamoah am 14. November wird er zu Gast in Gelsenkirchen sein. Vielleicht aber schon regelmäßig ab Sommer? "Ich hatte eine schöne Zeit auf Schalke", sagt Kuranyi. "Im Fußball ist alles möglich."

dpa

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