09.04.2015 10:59 Uhr

Brasilien: WM-Stadien zu verkaufen

Das Stadion in Salvador steht zum Verkauf
Das Stadion in Salvador steht zum Verkauf

Kein Jahr ist vergangen seit der Weltmeisterschaft in Brasilien und die Diskussionen um die Nutzung der Stadien nehmen nicht ab. Die Hälfte schreibt rote Zahlen, gar zwei stehen nun zum Verkauf. Die weltfussball-Südamerika-Kolumne.

Eine solche Bestandsaufnahme fühlt sich so gut an wie eine Steuernachzahlung. Acht Monate nach dem Titelgewinn der deutschen Nationalmannschaft in Brasilien bestätigen sich die schlimmsten Befürchtungen: Die Nutzung und Finanzierung der FIFA-Fußballtempel verläuft teilweise miserabel. Sechs der zwölf neugebauten oder restaurierten Stadien der WM 2014 sind geschlossen oder haben arge Finanzprobleme.

Dabei haben selbst die großen Stadien, in denen namhafte Klubs ihre Heimspiele austragen, Schwierigkeiten. Selbst das Maracanã in Rio de Janeiro schreibt keine schwarzen Zahlen. Und in São Paulo muss Corinthians im Itaquerão in den nächsten drei Jahren seine Einnahmen auf 100 Millionen Euro verdoppeln, so der Journalist Roberto Mattos. Gelingt dies dem Copa-Libertadores-Sieger von 2012 nicht, purzeln sie aus dem Betreibervertrag.

Stadien im Angebot

Woanders stehen gar zwei WM-Stadien zum Verkauf. Die Betreibergesellschaft OAS, die durch die Aufdeckung des schwerwiegenden Korruptionsskandals um die nationale Ölgesellschaft Petrobras in Schieflage gekommen ist, versucht, ihre Anteile des Stadions in Bahia (50 Prozent) sowie die gesamten Rechte an der Arena in Natal abzutreten. Die beiden Profiteams aus Salvador nutzen zwar das Stadion, sind aber beide zuletzt aus der Serie A abgestiegen. Einige hundert Kilometer weiter nördlich in Natal hat gerade der Zweitligist ABC seinen Nutzungsvertrag für das WM-Stadion gekündigt. Die dortige "Arena das Dunas" hat 100 Millionen Euro gekostet und durfte vier WM-Tore erleben.

Gar keinen Profiklub gibt es in der Landeshauptstadt Brasilia. Hier steht das Stadion "Mané Garrincha" mit 1,5 Millionen Euro in der Kreide. Die Stadtverwaltung hat nun sogar Büroräume im Stadion angemietet, denn eine regelmäßige Nutzung durch einen zahlungskräftigen Mieter ist nicht gegeben. Seit dem Ende der Weltmeisterschaft fanden 28 "Events" in der Arena statt. Nur ein Dutzend davon hatte etwas mit Fußball zu tun und die meistbesuchte Veranstaltung war ein Futsal-Duell zwischen Brasilien und Argentinien. Aber selbst hier war das "Mané Garrincha" mit 56.000 Zuschauern nicht annähernd ausverkauft.

Amateurhafte Administration

Zudem scheint die Administration einiger Stadien amateurhaft abzulaufen. Nach Angaben einer Reportage der BBC "ist das größte Problem, exakte Zahlen zu finden". In Brasilia und Natal konnte man "keine präzisen Angaben zu den monatlichen Kosten der Stadien machen". In Cuiabá weiß man zwar um die laufenden Kosten, kann diese aber nicht mehr stemmen, wie zuletzt verzweifelt die Regionalregierung bekanntgab. Knapp 100.000 Euro zahlt man allein monatlich für Energie, da einen 7,5 Megawatt-Deal abgeschlossen wurde. Ein Volumen, das nicht einmal während des WM-Betriebs genutzt wurde.

Für die derzeit laufende Regionalmeisterschaft von Mato Grosso lohnt es sich kaum, die "Arena Pantanal" als Spielstätte einzusetzen, da selten mehr als 2000 Zuschauer zu den Duellen kommen. Dafür konnte man das Eröffnungsspiel der brasilianischen Liga am 10. Mai zwischen Cruzeiro und Corinthians an Land ziehen. Für die Stadien fernab der großen Teams sind diese Gastspiele eine finanzielle Genugtuung. Für die treuen Fans der Klubs natürlich eine Zumutung.

Brasilia, Cuiabá und Manaus ohne eigene Profiteams

Manaus mitten im Amazonas ist so weit ab vom Schuss, dass hier nicht einmal Exil-Spiele der Teams aus Rio de Janeiro oder São Paulo ausgetragen werden. Die Regionalmeisterschaft zählt einen Durchschnitt von 660 Zuschauern, also versucht man auch hier krampfhaft Events für die zukünftige Nutzung zu erfinden. Trotz der Distanz hatte der brasilianische Fußballverband (CBF) Manaus als Spielort für das Fußballturnier der Olympischen Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro vorgeschlagen. Die FIFA schätzte Manaus als "nicht adäquate Auswahl" ein.

Glücklicherweise konnten sich hier die Brasilianer einmal durchsetzen. Grundsätzlich sieht man sich beim Weltverband aber nicht in der Verantwortung. "Die Stadien sind ein Problem Brasiliens und nicht des Fußballs", zitiert die Zeitung "Estado de Sao Paulo" im März einen FIFA-Funktionär. Die Wertschätzung seitens des CBF gegenüber der FIFA ist derweil merkbar höher. Verbandspräsident del Nero sprach Joseph Blatter seine volle Unterstützung für die anstehenden Präsidentschaftswahlen aus, denn dieser liefere schließlich seit Jahren "exzellente Arbeit ab".

Mehr aus der Südamerika-Kolumne:
>> Teil 3: "Dickerchen" Walter: Legende mal anders
>> Teil 2: Chiles goldene Generation der "Flegel"
>> Teil 1: Copa Libertadores: Feuertrunken - fanatisch

Für weltfussball berichtet aus Südamerika: Viktor Coco

Online-Wettanbieter: bet365 | Interwetten | sportingbet | Tipico Sportwetten