21.12.2014 09:00 Uhr

Bilbao: Mittelmaß statt Champions League

Unverbrüchliche Treue: Bilbaos Fans pilgern auch in diesem Jahr ins San Mamés
Unverbrüchliche Treue: Bilbaos Fans pilgern auch in diesem Jahr ins San Mamés

Athletic gegen Atlético: Am Sonntag empfängt der Tabellenvierte der vergangenen Saison den amtierenden Meister. Was in der letzten Spielzeit noch ein echtes Spitzenspiel war, ist zum Duell eines Teams aus dem Niemandsland der Tabelle mit der dritten Kraft in der Primera División geworden. Bilbao ist ins Mittelmaß abgerutscht. Doch wo liegen die Gründe für den Absturz der Basken?

Es ist noch nicht lange her, da brachen im San Mamés alle Dämme. Spieler und Fans lagen sich in den Armen und feierten den Einzug der Löwen in die Champions League. Durch einen 3:1-Sieg gegen den SSC Neapel gelang Athletic im vergangenen August erstmals seit 1998 wieder die Qualifikation für die Königsklasse. Die Freude war jedoch nur von kurzer Dauer: In der Champions League mussten die Basken trotz keiner allzu schweren Gruppe bereits nach der Vorrunde die Segel streichen und in der Primera División ist die Mannschaft von Trainer Ernesto Valverde bereits acht Punkte von den internationalen Fleischtöpfen entfernt.

Leistungsträger außer Form

Die Gründe für den Absturz sind vielfältig. Vor der Saison verließ mit Ander Herrera ein Schüsselspieler den Verein und wechselte zu Manchester United. Seinen Weggang als einzige Ursache für die bislang schwache Saison zu sehen, wäre jedoch sicherlich zu einfach. So blieben die meisten Leistungsträger Athletic treu, können derzeit jedoch nicht an ihre zum Teil brillanten Auftritte der vergangenen Spielzeit anknüpfen: Spieler wie Susaeta und Ibai Gómez laufen ihrer Form weit hinterher. War Letzterer mit acht Treffern 2013/2014 noch der zweitbeste Stürmer Bilbaos, wartet er in dieser Spielzeit noch immer auf sein erstes Tor.

Doch Ibai Gómez er ist nicht der einzige Rojiblanco mit Ladehemmung. In den bisherigen 15 Ligapartien hat Bilbao erst dreizehnmal das Runde im Eckigen untergebracht. Zum Vergleich: Nach den ersten 15 Begegnungen der vergangenen Saison standen bereits 23 Tore zu Buche. Im Angriff gibt Aduriz den Alleinunterhalter. Der 33-Jährige ist der einzige in seinem Team, der mehr als zwei Tore erzielt hat. Mit fünf Treffern führt er die vereinsinterne Torschützenliste schon souverän an.

Vereinsphilosophie als Stolperstein

Auf der Suche nach Lösungen für die Sturmprobleme und möglichen Neuverpflichtungen in der Winter-Transferperiode bewegt sich die sportliche Leitung des Klubs in engen Schranken: Traditionell setzt Athletic ausschließlich auf baskische Spieler. Diese selbstauferlegte Regel macht die Arbeit für Bilbaos Spielerscouts nicht gerade leicht, können sie doch nur aus einem vergleichsweise sehr kleinen Pool an Talenten schöpfen.

Die strikte Transferpolitik geht zu Lasten der nationalen und internationalen Konkurrenzfähigkeit und in der nordspanischen Arbeitermetropole werden immer mehr Stimmen laut, die eine Lockerung der Beschränkungen fordern. Veränderungen hat es in den vergangenen Jahren bereits gegeben. So sind die Löwen von ihrer ursprünglichen Vorgehensweise abgewichen, ausschließlich im Baskenland geborene Spieler zu verpflichten. Stattdessen dürfen nun auch Fußballer aus Einwandererfamilien, die in baskischen Vereinen ausgebildet wurden, für Athletic auflaufen.

Im Ringen um spanische und europäische Titel ist diese leichte Öffnung der Einkaufsgrenzen allerdings nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Den strukturellen Nachteil gegenüber den mit internationalen Stars gespickten Teams der Konkurrenz kann sie auf Dauer nicht ausgleichen. Die Verantwortlichen sehen sich einer Herkulesaufgabe gegenüber: Sie müssen den schwierigen Spagat zwischen der traditionellen Vereinsphilosophie und einer modernen Ausrichtung des Klubs schaffen.

Trotz Krise: Große Unterstützung der Fans

Noch stammen die Bilbao-Talente aus dem spanischen oder französischen Teil des Baskenlandes. Vielversprechende junge Spieler wie Verteidiger Aymeric Laporte oder Stürmer Muniain schüren bei den Fans die Hoffnung, dass es mit Athletic bald wieder aufwärts geht. Trotz der derzeit schwierigen Phase halten die Menschen in der baskischen Hafenstadt in beeindruckender Manier zu ihrem Team: Mit knapp 45.000 Fans pro Spiel haben die Löwen den vierthöchsten Zuschauerschnitt der Primera División  - und schicken sich damit sogar an in dieser Statistik im Vergleich zur vergangenen Spielzeit, als im Mittel 34.000 kamen, nochmal eine gehörige Schippe draufzulegen.

Die Hütte wird wohl auch am Sonntag im Spiel gegen Atlético Madrid (21:00 Uhr im weltfussball-Liveticker), wieder pickepackevoll sein. Die Fans hoffen auf einen dreifachen Punktgewinn und natürlich darauf, dass sie im San Mamés schon bald wieder große Feste feiern können. So wie seinerzeit im August, als alle Dämme brachen.

Thomas Eßer

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