19.11.2014 11:00 Uhr

ISL: Der langweilige Publikumsmagnet

Mit großem Marketing-Getöse und zahlreichen internationalen Altstars startete im Oktober die indische Super League in ihre erste Spielzeit. Das sportliche Niveau ist überschaubar, doch als Event funktioniert der neue Wettbewerb. Fraglich bleibt, ob er nachhaltig die Fußballbegeisterung auf dem Subkontinent wecken kann.

Es war ein würdiger Empfang für einen Weltmeister. Als Alessandro Del Piero am ersten Spieltag als Einwechselspieler sein Debüt für seinen neuen Klub Delhi Dynamos gab, erhoben sich die 16.500 Zuschauer im weiten Rund des Jawaharlal Nehru Stadium von ihren Sitzen. Frenetischer Jubel, Sprechchöre – das ganze Programm. Dass die Partie gegen den FC Pune City torlos endete, störte kaum jemanden, am allerwenigsten wohl Del Piero selbst.

Nur einen Monat später und nach acht Partien ohne einen einzigen Treffer ist die Euphorie rund um den prominentesten Protagonisten der neu geschaffenen ISL verflogen. Die Dynamos sind Tabellenletzter. Im Kellerduell mit dem FC Goa in der vergangenen Woche schmorte Del Piero 90 Minuten auf der Bank.

Auf dem Platz herrscht Langweile

Der Italiener ist nicht der einzige Altmeister, der in Indien mit der eigenen körperlichen Konstitution und dem Klima zu kämpfen hat. Auch andere ehemalige Klassespieler wie die Franzosen Robert Pires, Nicolas Anelka und David Trezeguet tun sich schwer. Oft regiert in den acht Stadien der neuen Eliteliga die Langeweile. "Es gab viele torlose Unentschieden. Die älteren Spieler haben häufig mit Verletzungen zu kämpfen", zieht Novy Kapadia, Indiens bekanntester Fußballexperte, nach einem Monat ISL Bilanz.

Doch die Inder können den formschwachen Ausländern keinen Druck machen, haben nicht die Klasse, um regelmäßig Spektakel auf den Platz zu zaubern. Nur neun von insgesamt 69 Treffern in der ISL gehen auf das Konto von einheimischen Spielern, obwohl laut Regelwerk mindestens fünf von ihnen in der Startelf stehen müssen. Gute Fußballer sind in dem riesigen Land mit seinen 1,2 Milliarden Einwohnern derzeit nicht in Sicht. Die Nationalmannschaft belegt nur den 159. Platz der FIFA-Weltrangliste.

Zuschauer strömen trotzdem in die Stadien

Trotzdem ist die ISL überraschend beliebt beim Publikum. Die großen Namen der teuren Stars ziehen bislang. Die sonst eher für die europäischen Top-Ligen schwärmenden indischen Fußballfans schätzen das Rahmenprogramm im Stadion, die regelmäßigen Besuche von Bollywood-Stars und die erschwinglichen Eintrittspreise. Im Durchschnitt strömen fast 25.000 Anhänger zu den Spielen. Kalkutta und Kochi verzeichnen sogar einen Zuschauerschnitt jenseits der 40.000.

"Wir sind die Liga mit dem höchsten Zuschaueraufkommen in Asien, noch vor den Ligen in China, Japan und Südkorea", verkündete ein Sprecher der ISL kürzlich stolz. Auch die TV-Einschaltquoten können sich sehen lassen: Insgesamt 318 Millionen Menschen sahen die 32 bisherigen Saisonspiele im Fernsehen.

Fußballbegeisterung durch Investition

Diese Zahlen sind ganz im Sinne der kommerziell motivierten Ligaorganisatoren. Umgerechnet satte 90 Millionen Euro zahlte das amerikanisch-indische Unternehmen IMG-Reliance 2010 für die Vermarktungsrechte an den indischen Fußballverband. Eine Investition, die sich bereits mittelfristig auszahlen soll. "Unser Ziel ist es, den Fußball in Indien radikal zu popularisieren", sagt IMG-Vorstandsmitglied Andy Knee. "In zwei bis vier Jahren werden die Teams die Gewinnzone erreichen."

In die Infrastruktur des indischen Fußballs zur Stärkung seiner Basis will IMG jedoch kein Geld stecken. "Ich würde das gerne machen, aber wir können keine Bolzplätze für die Bevölkerung bauen", meint Knee. "Wir hoffen, dass dort etwas organisch wächst, wenn durch den Ligabetrieb mehr Interesse am Fußball entsteht." So soll das traditionelle Cricket- und Hockeyland Indien sozusagen "von oben herab" für das runde Leder begeistert werden.

Japan als Vorbild auf dem Weg zur Fußballnation

Bei diesem Vorhaben dient den Indern Japan als Vorbild. Dort sorgte die Einführung der J. League in den neunziger Jahren für einen wahren Fußball-Boom. Auch die Japaner setzten auf Entwicklungshilfe aus dem Ausland und zählen heute zu den führenden Fußballnationen Asiens. Mit dem Brasilianer Zico arbeitet ein Fußballpionier aus dem Land der aufgehenden Sonne nun auch in Indien.

Der Trainer des FC Goa lobt das Potenzial der ISL, sieht im ungewöhnlichen Zwei-Ligen-System seiner neuen Wahlheimat allerdings ein Problem. Denn neben der finanzkräftigen Eliterunde bleibt die alte I-League als eigenständige Spielklasse bestehen. "So spielen einige gute indische Spieler nicht in der ISL", mahnt Zico. "In der J. League haben immer alle Japaner mit den Top-Spielern aus dem Ausland zusammengespielt."

Um Indiens Fußball nachhaltig auf ein neues sportliches Niveau zu heben und seine Akzeptanz in der Bevölkerung weiter zu erhöhen, wird es in Zukunft dringend einheimische Stars als Identifikationsfiguren brauchen. Alternde Zugpferde aus dem Ausland wie Alessandro Del Piero wären dann überflüssig. Eine solche Entwicklung ist heute jedoch noch nicht absehbar.

Tobias Knoop

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