24.10.2014 17:49 Uhr

Sydney: Vom Reißbrett ins CL-Finale

Zwei Jahre von der Gründung bis zur Krönung: In Rekordzeit haben die Western Sydney Wanderers ein kleines Fußballmärchen geschrieben, das kurz vor der Vollendung steht.

Ein Titelgewinn in der Champions League gilt als das Höchste, was ein Verein in Europa erreichen kann. Wie viel Geld, Glück und Geduld dazu nötig ist, hat der FC Chelsea 2012 gezeigt. Auch Real Madrid musste trotz bester Voraussetzungen 13 Jahre auf 'La Decima' warten. In Asien beweist gerade ein Verein, dass es auch anders geht.

Nur zwei Jahre nach ihrer Gründung stehen die Western Sydney Wanderers im Endspiel der asiatischen Königsklasse. Dass man auch diese nicht im Vorbeigehen gewinnt, zeigen neun verschiedene Sieger in den letzten neun Jahren. Umso erstaunlicher ist der Finaleinzug der Wanderers, die gegen den saudischen Klub Al Hilal für den größten Erfolg in der Geschichte des australischen Vereinsfußballs sorgen können.

Stolperstein für die Favoriten

"Wir wollen kein Verein sein, der in das Finale einzieht, sich dafür auf die Schulter klopft, dann aber nicht liefert, wenn es wirklich darauf ankommt", sagt der erste und bisher einzige Trainer des Klubs, Tony Popovic. "Wir sind hier, um den Titel zu holen und haben keine Angst, unseren Gegnern in die Augen zu schauen."

Was das heißt, haben die beiden Schwergewichte Guangzhou Evergrande und der FC Seoul im Viertel- und Halbfinale auf schmerzhafte Weise erfahren. Als haushohe Favoriten in die Duelle mit den Wanderers gegangen, mussten sie sich dem australischen Neuankömmling sensationell geschlagen geben. Ein Finaltriumph gegen den zweifachen Titelträger (1991, 2000) und saudischen Rekordmeister Al Hilal wäre das Sahnehäubchen auf dem Sahnehäubchen.

Fußballmärchen könnte wahr werden

"Ob sie das Finale gewinnen können? Natürlich. Sie spielen genau den Stil, der nötig ist, um sich in Asien durchzusetzen. Sie stehen hinten sicher, schalten schnell um und kontern brandgefährich", erklärt Aurelio Vidmar, der Adelaide United 2008 als bislang einziges Team aus Down Under in das Endspiel führte, dort allerdings unterlag.

Sollte das Team aus Western Sydney den Titel tatsächlich holen, würde ein kurioses Fußballmärchen wahr werden. Gleichzeitig wäre es ein riesiger Prestigeerfolg für den australischen Verband (FFA), der im ständigen Konkurrenzkampf mit der japanischen J-League und südkoreanischen K-League steht – und ohne den die Wanderers heute nicht existieren würden.

Gold Coast United als Bauernopfer

Bereits 2008 strebte die FFA eine Expansion der A-League von zehn auf zwölf Teams an. Allerdings liefen die Verhandlungen mit potenziellen Besitzern neuer Klubs ins Leere. Der Wunsch, einen weiteren Erstligaklub im bevölkerungsreichen und finanzstarken Sydney zu installieren, blieb jedoch bestehen. Im Frühjahr 2012 wendete sich schließlich das Blatt.

Nach einer gerichtlichen Schlammschlacht mit dem Eigner des Vereins Gold Coast United wurde der Klub kurzerhand aus der Liga geworfen. Nun war ein Platz frei, der dringend besetzt werden musste, da der neue TV-Vertrag ein Minimum von zehn Erstligisten vorsah. Der Verband musste schnell handeln, wählte den Standort Sydney und übernahm die Rechte an dem neuen Erstligaverein einfach selbst. Eine Entscheidung mit Geschmäckle.

Kritiker warfen der FFA vor, den Ausschluss von Gold Coast United bewusst herbeigeführt zu haben, um in der Metropole Sydney ein neues Zugpferd und ein sportliches Pendant zum Sydney FC zu schaffen. Sportlicher Erfolg allein lässt sich gut verkaufen. Sportlicher Erfolg gepaart mit sportlicher Rivalität lässt sich allerdings noch besser verkaufen. An der Goldküste sah man sich nicht ganz zu Unrecht als wehrloses Bauernopfer.

Von 0 auf 100 in wenigen Wochen

Im Ligabüro wurde die Kritik weitesgehend ignoriert. Stattdessen trieb man die Entwicklung des neuen Vereins weiter voran. Die Fans entschieden in Umfragen, welchen Namen und welche Farben der Klub tragen soll, der Verband nutzte den Etat von 8 Millionen Dollar, um Trainer, Mitarbeiter und Spieler zu verpflichten.

So entstand am Reißbrett binnen weniger Wochen ein Verein samt Umfeld, der schon in seinem ersten Jahr bis in die Finals der A-League stürmte. Nicht mit altgedienten Stars wie Alessandro Del Piero, Emile Heskey oder David Villa, sondern hauptsächlich mit jungen Australiern, die ihre beste Zeit noch vor sich haben.

Heute, zwei Jahre nach der turbulenten Gründung des Vereins, produzieren die Western Sydney Wanderers ausschließlich positive Schlagzeilen. Ein neuer Besitzer ist gefunden, die Kritik verstummt, die Mannschaft längst akzeptiert und, angesichts des sportlichen Höhenflugs, bei einem Großteil der Fans äußerst beliebt. Ein Erfolg in der AFC Champions League wäre das i-Tüpfelchen auf die kurze, aber äußerst bewegte Geschichte eines Klubs, den es bis vor zwei Jahren noch gar nicht gab.

Christian Schenzel

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