09.11.2018 19:00 Uhr

Castro: Graue Maus statt VfB-Leitwolf

Gonzalo Castro konnte die Erwartungen beim VfB Stuttgart noch nicht erfüllen
Gonzalo Castro konnte die Erwartungen beim VfB Stuttgart noch nicht erfüllen

"Ich will hier einfach vorne weggehen, den jungen Spielern helfen", begründete Gonzalo Castro gegenüber "Bild" Anfang August seinen Wechsel innerhalb der Fußball-Bundesliga vom BVB zum VfB Stuttgart. Drei Monate später ist davon nur wenig zu spüren.

Dabei erschien der Deal auf den ersten Blick so, als könne er als Blaupause für eine typische Win-win-Situation dienen.

Im Verlauf seiner dritten Spielzeit im Dortmund-Trikot wurde zunehmend deutlich, dass Castro beim angestrebten Neuanfang des BVB keine Rolle mehr spielen würde. Bezeichnend war der letzte seiner insgesamt 111 Einsätze für die Borussen: Der FC Bayern führte die Schwarzgelben Ende März 2018 am Nasenring durch die Allianz Arena. Als die krachende 0:6-Pleite nach 90 Minuten in Stein gemeißelt war, schmorte Castro bereits über eine Stunde auf der Bank.

Bitteres Ende einer "wunderschönen Zeit" beim BVB

Das bittere Ende einer "wunderschönen Zeit" (Castro gegenüber "Bild") bot aber auch die Chance für einen Neuanfang. Als Michael Reschke, der den zwölfjährigen Castro einst zum Nachwuchs von Bayer Leverkusen lotste, im Deutsch-Spanier den fehlenden "Mosaikstein" in der Kaderplanung des VfB Stuttgart ausmachte, war schnell klar, dass der BVB sich nicht querstellen würde. Gerade einmal fünf Millionen Euro mussten die Schwaben berappen, um Castro bis Ende Juni 2021 an sich zu binden.

Vergleichsweise wenig Geld, an das dennoch große Erwartungen geknüpft waren. Nach einer furiosen Rückrunde 2017/18, in der nur der große FC Bayern mehr Punkte holte, und dem hauchdünnen Verpassen der Europa League herrschten im Ländle Optimismus und Aufbruchstimmung. Mit Castro - immerhin der aktive Bundesligaspieler mit den zweitmeisten Einsätzen im deutschen Oberhaus und gestählt durch 84 Vereinsspiele auf europäischer Ebene - sollte der nächste Schritt getätigt werden.

Die Erfahrung, die er beim BVB gesammelt habe, wolle er "als Führungsspieler einbringen", verkündete Castro bei seiner Vorstellung und lobte gegenüber den "Stuttgarter Nachrichten" die "gute Mischung aus erfahrenen und jungen, sehr talentierten Spielern." Der Kader sei "auf jeden Fall stark genug, um in der Bundesliga eine gute Rolle zu spielen." Es folgte das böse Erwachen.

Standpauke von VfB-Sportvorstand Reschke

Castros Pflichtspieldebüt endete mit einer unrühmlichen 0:2-Niederlage beim Drittligisten Hansa Rostock im DFB-Pokal, es folgten ernüchternde Ergebnisse in der Bundesliga und der Sturz ans Ende der Tabelle. Der auserkorene Leitwolf Castro versteckte sich derweil im Schatten: Für 90 Minuten reichte es selten. Stand er doch auf dem Platz, gewann Castro lediglich 39 Prozent seiner Zweikämpfe (der VfB im Schnitt 51 Prozent).

"Das, was ich bisher gezeigt habe, ist definitiv nicht mein Anspruch", lautete die entsprechend kritische Bilanz, die Castro in einem Interview mit der "Bild" zieht. "Jetzt gilt es aber erstmal, den Karren aus dem Dreck zu ziehen und so schnell wie möglich Platz 18 zu verlassen."

Welche Rolle Castro im Abstiegskampf spielen wird, bleibt abzuwarten. Nach der 0:3-Pleite am vergangenen Spieltag gegen Eintracht Frankfurt soll VfB-Sportdirektor Reschke den einstigen U21-Europameister vor dem versammelten Team darauf hingewiesen haben, dass er bislang enttäuscht sei und mehr von ihm erwarte. Das berichten die "Stuttgarter Nachrichten". Castro freilich stand bei der Pleite nur fünf Minuten auf dem Rasen.

"Ich habe ihm schon als Zwölfjährigem seinen ersten Vertrag bei Bayer Leverkusen gegeben. Wir kennen uns sehr lange und sehr gut. Er weiß, wie er meine Worte zu verstehen hat", spielte Reschke den Vorfall herunter. Castros Standing dürfte die Standpauke allerdings nicht verbessert haben.

Klar scheint, dass sich der 31-Jährige steigern muss, will er sein persönliches Ziel noch erreichen. Den 400. Liga-Einsatz würde er "schon gerne vollmachen. Das ist sicher eine Zahl, auf die man später mal stolz sein kann", so der fünfmalige deutsche A-Nationalspieler im Gespräch mit der "Stuttgarter Zeitung". Noch fehlen 34 Einsätze, spätestens der Abstieg mit dem VfB würde die Marke in weite Ferne rücken lassen.

Marc Affeldt

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